Fall Leo(pold), Komponist. Geb. Olmütz, Mähren (Olomouc, CZ), 2. 2. 1873; gest. Wien, 16. 9. 1925 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); mos. Sohn des jüdischen Militärkapellmeisters Moritz Fall (1848–1922) und seiner Frau Flora Fall, geb. Brüll (1849–1915), Bruder der Komponisten Siegfried Fall (geb. Olmütz, 30. 11. 1877; gest. Ghetto Theresienstadt, Protektorat Böhmen und Mähren / CZ, 10. 4. 1943) und Richard Fall (geb. Gewitsch, Mähren / Jevičko, CZ, 3. 4. 1882; gest. KZ Auschwitz, Deutsches Reich / PL, 1945), Vater der aus einer Beziehung mit der Tänzerin Sophie Frieda Behrmann (1876–nach 1909) stammenden Rischka Behrmann (1897–1982); ab 1904 mit Bertha (Rahel Raphaéle), geb. Jadassohn (1880–1934), der Tochter des Komponisten Salomon Jadassohn, verheiratet. – F. begann 1888 am Wiener Konservatorium ein Kompositionsstudium bei →Robert Fuchs und →Johann Nepomuk Fuchs, das er 1892 ohne Abschluss abbrach. Er zog zu seiner Familie nach Berlin, wo er dem Vater, der mittlerweile den Dienst quittiert hatte und sich als Theaterkomponist und Kapellmeister versuchte, als Arrangeur, Kaffeehausgeiger und Musiklehrer zur Hand ging. Ein Jahr später war er 3. Kapellmeister des Central-Theaters, dann 2. Kapellmeister am Belle-Alliance-Theater, wo er zwei Possen seines Vaters aus der Taufe hob. 1896 kam sein erstes Bühnenwerk, die Lokalposse „Lustige Blätter“, am Centralhallen-Theater in Hamburg heraus, wo er mittlerweile 1. Kapellmeister war. 1898 kehrte F. (diesmal als 1. Kapellmeister am Central-Theater, später als 3. am Metropoltheater) nach Berlin zurück. Dort machte er sich trotz zweier Opernversuche („Frau Denise“ / „Paroli“, Uraufführung 1902, Intimes Theater, Berlin, und „Irrlicht“, Uraufführung 1905, Mannheim) als Hauskomponist des Kabaretts „Die bösen Buben“ mit frechen Chansons („Und Meyer sieht mich freundlich an“) einen Namen. Schließlich gelang es ihm, deren Textdichter Rudolf Bernauer zu überreden, eine Operette für ihn zu schreiben. „Der Rebell“ fiel 1905 bei der Uraufführung im Theater an der Wien durch, das Werk erregte aber wegen seines Offenbach’schen Witzes solches Aufsehen, dass F. gleich zwei Folgeaufträge erhielt, die zwei Jahre später seinen Durchbruch brachten: „Der fidele Bauer“ und „Die Dollarprinzessin“. F. gehörte damit zu den führenden Vertretern einer neuen Komponistengeneration, die die moderne Wiener Operette prägen sollte (→Franz Lehár, Oscar Straus, Emmerich Kálmán). Nach vielen entbehrungsreichen Jahren war F. vom finanziellen Erfolg seiner Werke überwältigt und überfordert. Kaum von Berlin nach Wien umgezogen, kaufte er sich in Hietzing ein Biedermeierschlösschen, das er aufwendig zur Villa Dollarprinzessin ausbauen ließ, und verlor allmählich den Überblick über seine Finanzen (nicht zuletzt wegen der leichtfertig geschlossenen Verträge über neue Werke mit zum Teil beträchtlichen Vorschüssen). Erst als er sich 1910 freiwillig unter die Kuratel des Anwalts Adolf Altmann begab, konsolidierte sich seine finanzielle Situation. Nach dem Erfolg der „Rose von Stambul“ 1916 konnte es sich F. sogar leisten, seinen Lebenstraum einer großen Oper („Der goldene Vogel“) zu verwirklichen und drei Jahre daran zu arbeiten. Nachdem sie 1920 an der Dresdner Staatsoper durchgefallen war, kehrte F. zur Operette zurück und schuf zwei Jahre später ein Meisterwerk von geradezu kammermusikalischer Finesse: „Madame Pompadour“, kreiert von Fritzi Massary. Nach seinem plötzlichen Tod hinterließ er beträchtliche Schulden, deren Abzahlung seine Witwe überforderte und schließlich in den Selbstmord trieb, sowie ein Œuvre, das ihn, zumindest nach dem Urteil seines seriösen Kollegen Ernst Křenek, als vielleicht letzten Meister der Operette ausweist.