Fattinger, Franz Vincenz (1881–1954), Industrieller, Politiker und Chemiker

Fattinger Franz Vincenz, Industrieller, Politiker und Chemiker. Geb. Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich), 8. 11. 1881; gest. Stübing (Steiermark), 17. 8. 1954; röm.-kath. Sohn des Pfeifenschneiders Vinzenz Fattinger (gest. Waidhofen an der Ybbs, 14. 12. 1924) und von Walburga Fattinger, geb. Reitmayr; ab 1913 verheiratet mit der Lehrerin Anna Fattinger, geb. Egghart. – Nach dem Besuch der Unterrealschule in Waidhofen und der Oberrealschule Schottenfeld in Wien studierte F. 1899–1905 Technische Chemie an der Technischen Hochschule in Wien, wo er 1908 mit der Dissertation „Versuch einer Systematik der Verbindungen des Bleies, in welchen es zweiwertig auftritt“ zum Dr. techn. promoviert wurde. 1905–07 Betriebsleiter bei der Firma Medinger & Söhne in Neufeld an der Leitha, war er für die Weinsäureerzeugung zuständig, verbesserte deren Produktivität sowie die Herstellung von Ammoniak und Schwefelsäure und entwickelte ein Verfahren zur Reinigung verflüssigter Gase. 1908 war er zunächst als Vorprüfer und Schriftführer in der Beschwerdeabteilung im Österreichischen Patentamt tätig, bevor er Ende desselben Jahres von →Karl Freiherr Auer von Welsbachzum Leiter der späteren Treibacher Chemischen Werke AG (TCW) berufen wurde, aus der er 1940 ausschied. Zu F.s Leistungen zählen verschiedene Erfindungen (Streichfeuerzeuge mit Cereisenreibfläche, Elektroöfen zur Herstellung von Ferrolegierungen, Verfahren zur Herstellung von Ceritchlorid, elektrolytische Herstellung von Ceritmetall, Herstellung von gefritteten Formstücken aus Cerlegierungen, Produktion radioaktiver Heilmittel). F. war weiters für die Gründung der Cereisenfabriken in New York City, Niagara Falls und Paris, der Niederlassungen in Wien und Berlin sowie der Radium-, Mesothor- und Radiothor-Fabrik in Treibach zuständig. Als Präsident der Mühldorfer Wasserkraftwerke, die zur Abdeckung der Kärntner Energiewirtschaft vorgesehen waren, zeichnete er für deren Ausbau verantwortlich. Ebenso veranlasste F. als Präsident der Bleiberger Bergwerks-Union mehrere bergbauliche Maßnahmen in Förolach und Sonnberg bei Guttaring. 1923–27 war F. Abgeordneter für die Großdeutsche Volkspartei im Kärntner Landtag, zeitweise auch dessen 1. Präsident. 1938 erwarb er das der Familie Pálffy-Daun gehörende Gut Stübing bei Graz, das er zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb für Obstbau machte. Die dort gegründete F. Kommanditgesellschaft umfasste neben einem Sägewerk, einer Holzwarenerzeugung und einem Großhandel mit Obst und Gemüse auch eine Produktion von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. F. war Mitglied der Staatsprüfungskommissionen der Technischen Hochschulen in Graz und Wien. 1948 erhielt er das Ehrendoktorat der Technischen Hochschule in Graz und als erster Preisträger die Carl-Freiherr-Auer-von-Welsbach-Medaille des Vereins Österreichischer Chemiker; 1946 Ehrenbürger der Technischen Universität Wien.

W.: Die Radium- und Thoriumindustrie, in: Österreichische Chemiker 1, 1937; Geschichte einer der ältesten Industriestätten: Treibach in Kärnten, in: Blätter für Technikgeschichte 5, 1938; Beginn der Ferrolegierungen für die Edelstahlerzeugung in Österreich, ebd. 14, 1952.
L.: WZ, 7. 11. 1951; Kärntner Landeszeitung, 20. 8. 1954; Blätter für Technikgeschichte 2, 1934, S. 62f., 17, 1955, S. 129f.; Wer ist wer in Österreich, 1953; J. Gölles, in: Carinthia I, 145, 1955, H. 4, S. 882f.; Zedhia, Zentraleuropäisches digitales wirtschafts- und gesellschaftshistorisches interaktives Archiv (online, Zugriff 17. 4. 2021); Technisches Museum (mit Bild), TU, beide Wien; Pfarre Waidhofen an der Ybbs, Niederösterreich.
(S. B. Weiss)   
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)