Feldmann, Else (1884–1942), Schriftstellerin und Journalistin

Feldmann Else, Schriftstellerin und Journalistin. Geb. Wien, 25. 2. 1884; gest. Vernichtungslager Sobibor, Generalgouvernement (PL), 17. 6. 1942; mos. Tochter des Handelsmanns Ignatz Feldmann (geb. Nyírbátor, H, 24. 12. 1848; gest. Wien, 14. 3. 1935) und von Fanny Feldmann, geb. Pollak (geb. Deutschkreutz, Ungarn / Burgenland, 15. 7. 1859; gest. Wien, 28. 11. 1940; mos.), Schwester von Richard Heinrich Feldmann (geb. Wien, 1885; gest. Ghetto Riga, Reichskommissariat Ostland / LV, 1941) und Anna Feldmann (geb. Wien, 1900; gest. Schloss Hartheim, Oberösterreich, 1940; ermordet). – F. wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Aufgrund der Herkunft ihrer Eltern erst 1919 österreichische Staatsbürgerin, erwarb sie 1925 das Heimatrecht. Nach dem Besuch einer Armenschule begann sie mit 16 Jahren eine Ausbildung zur Lehrerin. Als ihr Vater arbeitslos wurde, brach sie ab, um in einer Fabrik zu arbeiten. Ihr weiterer beruflicher Werdegang ist nicht bekannt. Bereits im Juli 1908 veröffentlichte sie die Erzählung „Bettina und der Faun“ in der Tageszeitung „Die Zeit“. Auf Veranlassung der Präsidentin des Wiener Vereins Frauenhort Rosa Zifferer trug F. ihren Prolog zur Eröffnung des Kaiser Franz Joseph-Arbeiterinnen-Erholungsheims 1909 in Seebenstein vor. Im Jahr darauf war sie vermutlich für einen Studienaufenthalt mit einem Stipendium in Berlin, wo im „Literarischen Echo“ eine Rezension von ihr veröffentlicht wurde. 1912 erschien ihr Artikel „Sederabend im allgemeinen Krankenhaus“ in „Dr. Bloch’s Oesterreichischer Wochenschrift“. Ab 1918 schrieb sie Skizzen, Feuilletons und Reportagen für den sozialistischen „Abend“, die „Wiener Morgenzeitung“, das „Neue Wiener Journal“, die „Neue Freie Presse“, den linksliberalen „Der Tag“, „Der Morgen“, die „Arbeiter-Zeitung“ (ab Oktober 1921) und andere Printmedien. Ihr Hauptthema waren die sozialen Missstände in Wien, das Elend armer Kinder und die Jugendkriminalität. Während des 1. Weltkriegs fand F. Eingang in die Gruppe um den Sozialreformer →Josef Popper. 1919 nahm sie am vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien Ludwig Altmann und →Hans Fiala geleiteten Resozialisierungsexperiment im Jugendheim Judenau-Baumgarten teil. 1922 zählte sie neben Anna Nussbaum, →Alfred Adler, Raissa Adler, Josef Luitpold Stern, →Otto Neurath und Leonhard Frank zu den Gründungsmitgliedern der Wiener Vereinigung zur Bekämpfung des Kriegs Clarté nach Vorbild von Henri Barbusse sowie 1933 zu den Mitinitiatoren der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Ihr Ghettostück „Der Schrei, den niemand hört“ wurde 1916 mit großem Echo an der Wiener Volksbühne uraufgeführt. Es folgten „Der Mantel. Komödie von Elsa Feldmann nach Gogol“, 1927 als Teilabdruck in der „Arbeiter-Zeitung“ veröffentlicht, und 1930 das Libretto „Ballett der Straße. Ein Entwurf für Jazzmusik“ in „Kunst und Volk. Mitteilungen des Vereins Sozialdemokratische Kunststelle“. 1921 gab sie mit Anna Nussbaum „Das Reisebuch des Wiener Kindes“, eine Sammlung von Briefen, Aufsätzen und Zeichnungen von Schulkindern heraus, die sich zur Erholung im Ausland befanden. Im selben Jahr erschien ihr erster autobiographisch geprägter Roman, „Löwenzahn. Eine Kindheit“ (Neuauflagen 1993, 2003 sowie 1930 unter dem Titel „Melodie in Moll“), 1924 wurde in der „Arbeiter-Zeitung“ ihr Roman „Der Leib der Mutter“ (mit Zeichnungen von →Carry Hauser) in Fortsetzungen veröffentlicht, der 1931 in Buchform erschien. Der Roman „Das Lied vom Leben“ erschien 1927 ebenfalls als Fortsetzungsroman in der „Arbeiter-Zeitung“. Im Jahr darauf veröffentlichte F. einen weiteren Band mit Erzählungen, „Liebe ohne Hoffnung“. Für „Letzte Küsse“ bekam sie zusammen mit Rudolf Felmayer und Hedwig Rossi 1932 den 3. Preis bei einer von der „Arbeiter-Zeitung“ gestifteten Auszeichnung für die beste Kurzgeschichte. Mit der Einstellung der „Arbeiter-Zeitung“ fand auch ihr Fortsetzungsroman „Martha und Antonia“, der ab November 1933 dort erschien, mit Februar 1934 ein vorzeitiges Ende (in Buchform 1997 erschienen). Sie veröffentlichte jedoch noch weiter in den Zeitschriften „Bunte Woche“, „Arbeiter-Sonntag“ und „Arbeiter-Woche“. Ihr Roman „Der Leib der Mutter“ wurde auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ vom Dezember 1938 gesetzt. Ihre ohnedies tristen finanziellen Verhältnisse verschlechterten sich dramatisch, zumal sie auch für ihre Mutter, ihren invaliden Bruder und ihre geistig behinderte Schwester sorgen musste. 1938 wurde sie aus ihrer Gemeindewohnung delogiert und im Juni 1942 mit dem Transport Nr. 27 deportiert.

Weitere W.: s. Exenberger, 1990; Website Theodor Kramer Gesellschaft (Zugriff 21. 3. 2017).
L.: Bolbecher–Kaiser; H. Exenberger, in: Jahrbuch 1990. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, 1990, S. 56ff.; Erfolg und Verfolgung. Österreichische Schriftstellerinnen 1918–45, ed. Ch. Gürtler – S. Schmid-Bortenschlager, 2002, S. 81ff.; H. Exenberger, in: E. F., Löwenzahn. Eine Kindheit, 2003, S. 183ff.; E. Geber, ebd., S. 199ff.; R. Wall, Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933–45, 2. überarb. Aufl. 2004; Spuren und Überbleibsel. Bio-bibliographische Blätter, ed. E. Früh, Nr. 62, 2005; L. Silverman, in: Interwar Vienna. Prooftexts 26, 2006, S. 29ff.; E. H. Debazi, in: Chilufim. Zeitschrift für Jüdische Kulturgeschichte 2, 2007, H. 3, S. 97ff.; E. F. (1884–1942). Arbeiten für das Theater, ed. A. Opel – M. Valdéz, 2007, S. 267f. (mit Bild); A. Kluy, in: E. F., Travestie der Liebe und andere Erzählungen, ed. A. Kluy, 2013, S. 133ff.; Tagbl.-Archiv, Wienbibliothek im Rathaus, beide Wien.
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)