Fellinger, Karl (1904–2000), Internist

Fellinger Karl, Internist. Geb. Linz (Oberösterreich), 19. 6. 1904; gest. Wien, 8. 11. 2000 (Ehrengrab: Döblinger Friedhof); röm.-kath. Sohn des Schlossers und Eisendrehers bei den österreichischen Staatsbahnen Karl Fellinger (1878–1927) und der Mathilde Fellinger, geb. Leibetseder (geb. 1879); verheiratet mit der Ärztin Barbara Fellinger (1914–2011), die 2002 den gemeinnützigen Verein Fellinger-Krebsforschung zur finanziellen Unterstützung von entsprechenden Projekten gründete. – F. besuchte das Humanistische Gymnasium (Matura 1923) und studierte anschließend Medizin an der Universität Wien, u. a. bei →Anton Freiherr von Eiselsberg, →Julius Wagner-Jauregg und →Julius Tandler; 1929 Dr. med. Während seiner Studienzeit trat er 1923 der katholischen akademischen Verbindung Norica bei. Nach seiner Promotion folgte seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin, die er 1937 mit der Habilitation für Innere Medizin über Hormonforschung abschloss. Danach setzte F. seine medizinischen Studien in Chicago fort. Aus den USA zurückgekehrt, übernahm er 1937 als Primarius die 1. Abteilung für Innere Medizin des Krankenhauses Lainz. Nach dem „Anschluss“ Österreichs entzog man ihm aus Gründen der „politischen Unzuverlässigkeit“ die venia legendi. Fortan betrieb er eine Privatpraxis. 1940 zur Wehrmacht eingezogen, diente er als Militärarzt an der russischen und polnischen Front. Ende 1944 kehrte er zurück. Im Mai 1945 übernahm F. die Leitung der Poliklinik in Wien, im Herbst desselben Jahrs in Graz vertretungsweise die Leitung der Medizinischen Universitätsklinik (1945 ao. Professor). 1946 wurde er zum Ordinarius für Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten an die Wiener Medizinische Universitätsklinik berufen. 1946–75 fungierte er als Direktor der II. Medizinischen Universitätsklinik, die er u. a. mit der Gründung eines Dialysezentrums und der Einrichtung einer Computerstation modernisierte. Bereits 1952 schaffte F. für seine Klinik das damals weltweit modernste Elektronenmikroskop an, nicht zuletzt, weil die Nuklearmedizin zu seinen Forschungsschwerpunkten zählte. Des Weiteren war F. bestrebt, den medizinischen Fächerkanon in seiner Klinik auszubauen. So schuf er Extraordinariate für Gastroenterologie und Kardiologie, aus denen später eigene Universitätskliniken hervorgingen; 1950/51 Dekan der medizinischen Fakultät, 1964/65 Rektor der Universität Wien, 1975 emeritiert. Nachdem F. auf Einladung des ägyptischen Unterrichtsministeriums 1952 eine Gastprofessur in Kairo angetreten hatte, knüpfte er dort Kontakte mit Politikern und anderen einflussreichen Persönlichkeiten aus dem arabischen Raum. So wurde er medizinischer Ratgeber und Arzt mehrerer Herrscher: zu nennen sind der Staatsgründer Saudiarabiens Abd-al-Aziz al Saud, dessen Sohn König Saud, der persische Schah Mohammed Reza Pahlevi, der afghanische König Mohammed Zahir Schah, König Hassan II. von Marokko, der pakistanische Präsident Mohammed Zia-ul-Haq, der Patriarch von Konstantinopel Athenagoras I. sowie der Präsident von Sierra Leone Siaka Stevens. Der „Arzt der Könige“, wie die Presse F. nannte, behandelte seine wohlhabenden Patienten meist im Wiener Rudolfinerhaus, wo er ab 1975 Vizepräsident, 1984–94 Präsident und ab 1994 Ehrenpräsident des Rudolfinervereins war. F. schildert in seiner 1984 erschienenen Autobiographie „Arzt zwischen den Zeiten“ anschaulich die Wien-Besuche dieser Würdenträger aus dem Nahen Osten. Darüber hinaus hatte er höchste Ämter im österreichischen Gesundheitswesen inne: 1947–92 war er Präsident des Obersten Sanitätsrats (wobei unter seiner Ägide Österreich 1949 als erstes europäisches Land die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung einführte), darüber hinaus war er Obmann des Krebsforschungsinstituts, Vorstandsmitglied in- und ausländischer medizinischer Vereinigungen und Vertreter der Universität beim Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. F., der als Vater der Neuen Wiener Medizinischen Schule und als Doyen der österreichischen Internisten galt, verfasste mehr als 300 wissenschaftliche Arbeiten zu seinen Spezialgebieten wie Endokrinologie, Rheumatologie, Nuklearmedizin und Hämatologie, daneben ein zweibändiges „Lehrbuch der inneren Medizin“ (1951–54). Ihm gelang die erste Beschreibung des Gelbsuchtvirus. Darüber hinaus gab er die „Wiener Zeitschrift für innere Medizin“ heraus. Einer breiteren Öffentlichkeit war F. durch die ORF-Fernsehserie „Der gläserne Mensch“ bekannt, in der er auf populäre Weise medizinisches Wissen vermittelte. 1959 erhielt er das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1965 das Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, 1969 den Ehrenring der Stadt Wien, weiters das deutsche Große Verdienstkreuz mit Stern sowie u. a. Orden aus Indonesien, Thailand und dem Libanon. Darüber hinaus wurden ihm Ehrendoktorate der Universitäten Thessaloniki (1960), Athen (1966), Teheran (1968) und Budapest (1969) verliehen; 1972 Ehrenmitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Nach ihm ist die F.-Infusion benannt. Im Rudolfinerhaus wurde das F.-Museum eingerichtet. 1997–2008 verlieh die Österreichische Krebshilfe den Univ.Prof. DDr. Karl F.-Preis.

Weitere W.: Die endokrinen Erkrankungen, ihre Klinik, Pathologie und Therapie, 1938 (gem. mit N. v. Jagić); Die Fettleibigkeit, 1939; Klinik und Therapie des chronischen Gelenkrheumatismus, 1954 (gem. mit J. Schmid); Die innersekretorischen Erkrankungen, 1958. – Ed.: Klinische Fortschritte. Innere Medizin, 1950; Funktionsabläufe unter emotionellen Belastungen. Symposium ..., 1964; Computer in der Medizin, Sonderschrift, 1968.
L.: WZ, 9. 11. 2000; Almanach Wien 151, 2001, S. 427ff. (mit Bild); Festschrift, Herrn Professor Dr. K. F. ... 1946–71, ed. F. Kreuzer – G. Grabner, 1971; R. Höfer, in: WKW 86, 1974, S. 389f.; Die II. Medizinische Universitätsklinik in Wien. Klinik F. 1946–57, ed. J. Dézsy, 1994; A. Huber, Rückkehr erwünscht. Im Nationalsozialismus aus „politischen“ Gründen vertriebene Lehrende der Universität Wien, 2016, S. 241ff.; UA, Wien (mit Bild); Pfarre Linz-Heilige Familie, Oberösterreich.
(W. E. Gerabek)  
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)