Fischer, Johann Conrad (1773–1854), Industrieller

Fischer Johann Conrad, Industrieller. Geb. Schaffhausen (CH), 14. 9. 1773; gest. ebd., 26. 12. 1854. Enkel des Kupferschmieds und Weinhändlers Christoph Fischer, Sohn des Unternehmers Conrad Fischer (geb. Schaffhausen, 4. 5. 1721; gest. ebd., 19. 4. 1811) und von Anna Helena Fischer, geb. Spengler, der Tochter des Ratsherrn und Maurers Hans Conrad Spengler, Vater der Unternehmer Georg Fischer I. (geb. Schaffhausen, 14. 7. 1804; gest. Hainfeld, Niederösterreich, 3. 10. 1888), der die Hainfelder Fertigungsstätte bis zu seinem Tod leitete, →Berthold Fischer und Wilhelm Fischer (1803–1882), Großvater von Georg Fischer II. (geb. Hainfeld, 15. 12. 1834; gest. Schaffhausen, 12. 8. 1887); ab 1797 verheiratet mit Anna Catharina Fischer, geb. von Waldkirch (1775–1842), der Tochter des Politikers Beat Wilhelm von Waldkirch (geb. Schaffhausen, 12. 6. 1744; gest. ebd., 16. 5. 1816). – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Schaffhausen wurde F. im Unternehmen seines Vaters zum Kupferschmied und Feuerspritzenmacher ausgebildet. Nebenbei besuchte er Abendkurse in Mathematik. 1792–94 bereiste er Deutschland, Dänemark, Schweden sowie England und begann nach seiner Rückkehr in der Kupferschmiede im Roten Faß seines Vaters zu arbeiten, die er 1797 übernahm. 1802 kaufte er eine ehemalige Mühle im nahe gelegenen Mühlental, wo er eine kleine Gießerei für Glocken und Feuerspritzen einrichtete. 1806 errichtete er eine Gussstahl- und Feilenfabrik, in der er als Erster auf dem Kontinent den sogenannten Tiegelgussstahl, den Benjamin Huntsman in England erfunden hatte, herstellte, wobei die gegossenen Gegenstände nachträglich keiner Zementierung mehr unterzogen werden mussten. 1814 unternahm F. eine Studienreise nach England, während der er ein Tagebuch führte, das besonders aufgrund der Beobachtungen zur industriellen Revolution interessant ist. Er experimentierte mit Legierungen aus Gussstahl und anderen Metallen und stellte neue Stahlarten her: 1807 einen niedrig legierten Manganstahl, 1814 den sogenannten gelben Stahl mit Kupferbeigabe, 1819 eine Silberstahllegierung, 1823 einen Stahl mit Chromzusatz, 1824 einen mit Nickelbeigabe gewonnenen Meteorstahl. 1827 entwickelte er die Herstellung des Tempergusses für schmiedbares Gusseisen und das sogenannte Fischer-Metall, einen Gussstahl mit einem Drittel Kupfergehalt. F. ließ nahezu alle seine Erfindungen aufgrund der guten Patentgesetzgebung in Österreich sichern. Seine Firma arbeitete dermaßen erfolgreich, dass er drei Stahlgießereien in Österreich gründete, die seine Söhne leiteten. Die 1827 errichtete Gußstahlwarenfabrik in Hainfeld wurde von Georg Fischer I. geleitet, die 1833 in Traisen gegründete Weicheisen- und Stahlgießerei von Berthold Fischer und die 1839 in Salzburg gegründete Gießerei von Wilhelm Fischer. In Schaffhausen war F. auch politisch tätig: 1797–98 Mitglied im Kleinen Rat, 1801–51 Bergwerksadministrator für die Ausbeutung der Bohnerzgruben, 1828–46 Mitglied im Großrat, 1831 Tagsatzungsgesandter, 1831–35 erster Stadtpräsident Schaffhausens und bis 1847 Mitglied des Stadtparlaments. Er äußerte sich häufig in der Presse zu aktuellen Themen wie Eisenbahnbau, Münzhoheit, Zollproblemen und Verfassungsrevision. 1843 wurde sein Ansuchen um Verleihung des österreichischen Adels abgelehnt. Ab 1817 war er Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft der Schweiz. F. erhielt auf den Weltausstellungen in London 1851 die Große Preis-Medaille und 1867 in Paris die Bronze-Medaille.

W.: Tagebuch einer im Jahr 1814 gemachten Reise über Paris nach London und einigen Fabrikstädten Englands vorzüglich in technologischer Hinsicht, 1816; Tagebuch einer zweiten Reise über Paris nach London …, 1826; Fragmente aus dem Tagebuch dreier Reisen nach London und einigen Fabrikstädten Englands im Spätjahr von 1825, 1826 und 1827, 1829; Notizen auf der Reise über Paris nach London, Leeds, Low-Moor, Sheffield, und zurück; im Sommer 1845, 1846; Tagebücher 1773–1854, ed. K. Schib, 1951.
L.: ADB; HLS; NDB; Festschrift 150 Jahre Georg Fischer Werke 1802/1952, 1952; H. Boesch, in: Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 4, 1952; K. Schib – R. Gnade, J. C. F. 1773–1854, 1954; W. O. Henderson, J. C. F. and his Diary of Industrial England 1814–51, 1966; H. Lüling, in: Ferrum 55, 1984, S. 11ff.; A. Knoepfli, in: Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik 74, 2002, S. 9ff.; N. Lutz, in: Ferrum 91, 2019, S. 126ff. (mit Bild); Website Georg Fischer Ltd. (mit Bild, Zugriff 14. 4. 2021); Zedhia, Zentraleuropäisches digitales wirtschafts- und gesellschaftshistorisches interaktives Archiv (online, Zugriff 17. 4. 2021); Technisches Museum, Wien.
(S. B. Weiss)   
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 4, 1956), S. 322
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