Fossel, Marta Elisabet (Martha Bertha Elisabeth) (1880–1965), Graphikerin und Malerin

Fossel Marta Elisabet (Martha Bertha Elisabeth), Graphikerin und Malerin. Geb. Liezen (Steiermark), 16. 5. 1880; gest. Graz (Steiermark), 20. 4. 1965; röm.-kath. Tochter von →Viktor von Fossel, späterer Direktor des Landeskrankenhauses in Graz, und Emma Fossel, geb. Ehrlich. – F.s Familie übersiedelte 1882 nach Graz und sie besuchte 1895–96 die Landeszeichnungsakademie bei →Ludwig Kainzbauer, 1900–01 bei →Alfred Schrötter von Kristelli. 1906 unternahm sie eine Studienreise nach Tunis und Tripolis und bildete sich in den Folgejahren bei →Alfred Cossmann weiter, mit dem sie – ebenso wie mit ihrer Studienkollegin Norbertine Bresslern-Roth – zeitlebens befreundet war. 1910–12 folgte ein Studium in München an der Damenakademie bei Max Feldbauer, Privatunterricht bei Peter von Halm in Radiertechnik sowie ein Besuch der privaten Graphikschule von Johann Brockhoff. Ab 1913 unterhielt F. ein Atelier mit Kupferdruckpresse in Graz, in dem sie ab 1917 auch Unterricht erteilte, 1914–15 leistete sie Spitalsdienst für das Rote Kreuz. Ab 1920 pflegte sie Kontakte nach England und unternahm Reisen in verschiedene Städte Europas. Ca. 1918 begann ihr Kontakt zu Viktor Geramb, dem Gründer des Volkskundemuseums in Graz, für den sie in der Folge Illustrationsaufträge ausführte. F.s Interesse war bereits früh auf die realistische zeichnerische Erfassung des menschlichen Körpers ausgerichtet, das zeigen u. a. großformatige anatomische Zeichnungen von 1900 und 1913 sowie Porträts in Zeichnung und Radierung (Porträtkopf einer dunkelhäutigen Frau, 1913). Nach dem 1. Weltkrieg hatte F. als Mitglied des 1919 in Graz gegründeten Werkbunds Freiland zunächst Anteil an der künstlerischen Moderne, die mit dieser Vereinigung in Graz Einzug hielt. Etliche ihrer Radierungen aus den 1920er-Jahren, in denen der Jugendstil nachklingt, erinnern an gleichzeitige Werke Fritz Silberbauers. Damals erwachte auch ihr Interesse für Volkstümliches und Heimatbezogenes, das sie in zahlreichen Illustrationen umsetzte, insbesondere zur steirischen Tracht. Während des NS-Regimes führte sie systemkonforme Auftragsarbeiten im Bereich der Gebrauchsgraphik aus, nach dem 2. Weltkrieg setzte sie ihre künstlerische Arbeit nach ihren Prinzipien der Zwischenkriegszeit fort. F. war Mitglied des Steiermärkischen Kunstvereins (ab 1906, 1935 Vizepräsidentin) sowie der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, an deren Ausstellungen sie sich regelmäßig beteiligte, des Grazer Künstlerbunds und der Kameradschaft steirischer Künstler und Kunstfreunde. Ihre Arbeiten zeigte sie u. a. in Graz (1920, 1950) und Wien (1923, jeweils Personale), München (um 1910 Verein für Originalradierung, ab 1911 Künstlerinnenverein, ab 1914 Glaspalast, 1938–40 Große Deutsche Kunstausstellung), Graz (u. a. 1921, 1925, 1928, 1950), Wien (1925 Deutsche Frauenkunst, 1941, 1942 Vereinigung bildender Künstlerinnen der Reichsgaue der Ostmark) sowie in Straßburg, Florenz, Köln und Padua. 1906 erhielt F. die Silberne Medaille der Stadt Graz, 1912, 1921 und 1936 die Goldene Staatsmedaille, 1926, 1932, 1935 den Österreichischen Staatspreis und 1929 die Goldene Medaille für Verdienste um die Republik Österreich. Ihre Werke finden sich in der Neuen Galerie, dem Graz Museum, der Sammlung der Stadt Graz/Kulturamt (alle Graz) und der Albertina (Wien).

Weitere W.: Illustrationen zu: M. Stubenberg, Heimaterde, 1917; V. Geramb, Deutsches Brauchtum in Österreich, 1924; H. Pirchegger, Sagenkränzlein aus der grünen Steiermark, 1924; Alpenländische Monatshefte, ed. J. Papesch, 1925ff.; Volkslieder und Jodler aus dem obersteirischen Murgebiet, ed. V. Zack, 1927; K. Mautner – V. Geramb, Steirisches Trachtenbuch, 2 Bde., 1932–35; P. Grogger, Die Hochzeit. Ein Spiel vom Prinzen Johann, 1937; K. Wolf, Alpentrachten unserer Zeit, 1937; Titelbild der Beilage zur Tagespost (Graz), 24. 7. 1938; F. Brauner, Mein Steirerland, mein Heimatland, 1941.
L.: AKL; Emődi; Fuchs, 19. Jh.; Fuchs, Erg.Bd.; Vollmer; R. List, Kunst und Künstler in der Steiermark 1, 1967; M. E. F. Gedächtnisausstellung, Graz 1980 (Kat.); Im Hochsommer der Kunst 1890–1925, ed. A. Foitl, Graz 1997, S. 128 (Kat.); C. Karolyi – A. Smetana, Aufbruch und Idylle, 2004, S. 69; Die Kunst der Anpassung, ed. G. Holler-Schuster u. a., Graz 2010, S. 54f. (Kat.); H. Lipsky, Kunst einer dunklen Zeit. Die bildende Kunst in der Steiermark zur Zeit des Nationalsozialismus, 2010, S. 184ff.; M. Holzer-Kernbichler, in: N. Bresslern-Roth, Tiermalerin, ed. Ch. Steinle, Graz 2016, S. 210ff. (Kat.); biografiA. Lexikon österreichischer Frauen 1, 2016; Ladies First! Künstlerinnen in und aus der Steiermark 1850–1950, ed. G. Danzer, Graz 2020, S. 212ff., 377 (Kat., mit Bild); Künstler/innenarchiv Neue Galererie, Stadtarchiv, beide Graz, Pfarre Liezen, alle Steiermark.
(G. Danzer)  
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)