Frank, Josef (1885–1967), Architekt und Designer

Frank Josef, Architekt und Designer. Geb. Baden (Niederösterreich), 15. 7. 1885; gest. Stockholm (S), 8. 1. 1967; mos. Sohn des Textilwarenhändlers Ignaz Frank (1851–1921) und der Jenny Frank, geb. Feilendorf (1861–1941), Bruder des Physikers Philipp Frank (1884–1966); ab 1912 verheiratet mit der aus dem heutigen Finnland gebürtigen Musikpädagogin Anna Regina Sebenius (1880–1957). – Nach Besuch der Staatsoberrealschule in Wien 1 studierte F. 1903–08 an der Technischen Hochschule in Wien Architektur u. a. bei →Karl König (2. Staatsprüfung 1908), war 1908 im Büro von Bruno Möhring in Berlin tätig und promovierte 1910 an der Technischen Hochschule Wien. 1913–18 führte er mit seinen Studienkollegen Oskar Wlach und →Oskar Strnad ein Architekturbüro und realisierte erste Bauten. Nach dem Kriegsdienst wirkte er 1919–26 als Professor für Baukonstruktionslehre an der Wiener Kunstgewerbeschule, ab 1921 zudem als Architekt des Österreichischen Verbands für Siedlungs- und Kleingartenwesen. 1925 gründete er mit Walter Sobotka und Wlach die Einrichtungsfirma Haus und Garten, 1928 fungierte er als Mitbegründer der CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) und Vizepräsident des Österreichischen Werkbunds. 1933 emigrierte er nach Schweden (ab 1939 schwedischer Staatsbürger) und begann dort seine Tätigkeit für die Einrichtungsfirma Svenskt Tenn. F. emigrierte 1941 weiter nach New York und lehrte dort an der New School for Social Research. 1946 kehrte er nach Schweden zurück und war erneut als Designer für Svenskt Tenn tätig. Bereits 1913/14 errichtete F. (teilweise in Zusammenarbeit mit Strnad und Wlach) Wohnhäuser für die Familien Scholl und Strauß in Wien sowie Bunzl in Niederösterreich, die schon wesentliche Merkmale seines Schaffens aufwiesen: Sie verbanden einen selbstverständlichen Bezug zur (klassischen) Bautradition mit unkomplizierter Modernität und rückten den Wohnkomfort und die Bedürfnisse der Bewohner in den Vordergrund, während die Dominanz des Architekten als Raumgestalter relativiert wurde. Beeinflusst wurde er dabei durch →Adolf Loos und Strnad. Das Wohnhaus und seine mobile Einrichtung sollten für F. das Zentrum seines stark humanistisch geprägten Schaffens bilden. Sein Engagement in der Wiener Siedlerbewegung nach dem 1. Weltkrieg mündete in den Bau der Siedlung Hoffingergasse in Wien-Meidling (1921–24), und trotz seiner Kritik am Geschoßwohnbau errichtete er zwischen 1923 und 1932 fünf Wohnhausanlagen im Rahmen des Bauprogramms der Gemeinde Wien. Stoff- und Möbelentwürfe für die eigene Firma Haus und Garten bildeten ab 1925 neben dem Bau von Wohnhäusern in Wien und Schweden den Schwerpunkt seiner Arbeit. Für internationales Aufsehen sorgte F. 1927 mit seinem Doppelhaus in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung, dessen betont wohnliche Interieurs in Widerspruch zu den Prinzipien des Funktionalismus zu stehen schienen. Von da an war F. als scharfsinniger Kritiker eines „pathetischen“ Modernismus etabliert, der in zahlreichen teils polemischen Texten an der Diskussion um das „Neue Bauen“ teilnahm. 1929–32 konzipierte F. die Wiener Werkbundsiedlung als internationale Leistungsschau des Neuen Bauens und Wohnens in Österreich und errichtete ein Musterhaus. Mit dem Haus Beer in Wien (1929–30) entstand F.s bedeutendster Bau, ein Hauptwerk der Architektur der Zwischenkriegszeit. In seinen späteren Schaffensjahren rückte – auch als Ausdruck der Resignation angesichts der Dominanz eines dogmatischen Funktionalismus – das Design von Möbeln und farbenprächtigen Stoffen ins Zentrum seiner Arbeit. Damit avancierte er zu einem Pionier des schwedischen Möbeldesigns. F. war ab 1910 Mitglied des Deutschen Werkbunds, ab 1913 des Österreichischen Werkbunds (Gründungsmitglied) und ab 1946 der Konsthantverkarna Gille Stockholm. An Auszeichnungen erhielt er u. a. 1949 die Goldmedaille der Königlich Patriotischen Gesellschaft (Schweden), 1952 die Königliche Goldmedaille Pro Litteris et Artibus am Bande (Schweden), 1960 den Preis der Stadt Wien für angewandte Kunst und 1965 den Großen Österreichischen Staatspreis für Architektur.

Weitere W. (s. auch Welzig; Ott-Wodni; Architektenlexikon): Arbeiterwohnungen und Kinderheim, 1919–22, Haus Herzberg-Fraenkl, 1923 (beide Ortmann bei Pernitz); Häuser Claëson, 1924–27, Carlsten, 1927, Låftman, 1934–35, Seth, 1934–35, Wehtje, 1935–36 (alle Falsterbo, Schweden); Haus Bunzl, 1935–36 (Wien). – Publ.: Über die ursprüngliche Gestalt der kirchlichen Bauten des Leone Battista Alberti, techn. Diss. Wien, 1910; Architektur als Symbol. Elemente deutschen neuen Bauens, 1931, Nachdruck 2005; Die internationale Werkbundsiedlung Wien 1932, 1932; Schriften, ed. T. Bojankin u. a., 2 Bde., 2012.
L.: J. F. 1885–1967, ed. J. Spalt – H. Czech, 1981; J. F. – Architektur, ed. M. Bergquist – Olof Michélsen, Wien 1995 (Kat.); J. F. Architect and Designer, ed. N. Stritzler-Levine, New York 1996 (Kat.); M. Welzig, J. F. (1885–1967). Das architektonische Werk, 1998 (mit W.); Ch. Long, J. F. Life and Work, 2002; J. F. 1885–1967. Eine Moderne der Unordnung, ed. I. Meder, 2008; M. Ott-Wodni, J. F. 1885–1967. Raumgestaltung und Möbeldesign, 2015 (mit W.); J. F. Against Design. Das anti-formalistische Werk des Architekten, ed. H. Czech u. a., Wien 2016 (Kat.); Architektenlexikon Wien 1770–1945 (mit W., Zugriff 11. 6. 2019); Das rote Wien (online, mit Bild, Zugriff 11. 6. 2019); Wien Geschichte Wiki (online, Zugriff 11. 6. 2019); TU, Wien.
(A. Nierhaus)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)