Frankfurter, Salomon (1856–1941), Altphilologe und Bibliothekar

Frankfurter Salomon, Altphilologe und Bibliothekar. Geb. Pressburg, Ungarn (Bratislava, SK), 9. 11. 1856; gest. Wien, 24. 9. 1941; mos. (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof). Sohn des bei der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien tätigen Emanuel Frankfurter und seiner 2. Frau Johanna Frankfurter, geb. Wertheimer, Onkel des amerikanischen Juristen und Richters des Supreme Court Felix Frankfurter (1882–1965), Vater u. a. der vor dem Nationalsozialismus in die USA geflüchteten Alice Frankfurter, später Lisa Frank (geb. 1900), 1928–38 Sekretärin des Wiener Hagenbunds; ab 1897 mit Sofie (Sophie) Frankfurter, geb. Chajes-Horowitz (geb. um 1875; gest. 1925), verheiratet. – F. lebte ab 1859 in Wien, besuchte dort die Talmud-Thora-Schule in der Leopoldstadt und absolvierte 1877 das Akademische Gymnasium. Danach studierte er Philologie in Wien (1877–78, 1881–82) sowie an der Universität Berlin (1878–81), wo er auch Hörer von Theodor Mommsen war. 1879/80 hospitierte er zudem am orthodoxen Rabbinerseminar in Berlin. In Wien war F. Stipendiat des archäologisch-epigraphischen Seminars; 1883 Dr. phil. mit einer Dissertation über die Scriptores historiae Augustae. 1884 wurde er Volontär an der Universitätsbibliothek Wien, wo er in der Folge bis zum Vizedirektor (1911) bzw. Direktor (1919) aufstieg und eine Reihe von Referaten leitete. Mithilfe seiner Auslandsbeziehungen modernisierte und vergrößerte F. die Institution. Zudem war er 1895 Mitbegründer des Österreichischen Vereins für Bibliothekswesen. 1923 trat er in den Ruhestand. Neben seiner Bibliothekarslaufbahn verfolgte F. altertumskundliche Interessen, wovon eine Reihe weiterer Funktionen zeugt. So war er ab 1891 korrespondierendes Mitglied des Deutschen, ab 1900 des Österreichischen Archäologischen Instituts, Mitglied des Kuratoriums des Vereins Carnuntum, ferner Gründer und Schriftführer des Vereins der Freunde des humanistischen Gymnasiums, Korrespondent der Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale und Mitglied des Verwaltungsrats der Deutschen Bücherei in Leipzig. 1909 wurde er als erster jüdischer Beamter Konsulent des Ministeriums für Kultus und Unterricht, zuständig für Bibliothekswesen und jüdische Kultusangelegenheiten. 1934 erfolgte zudem seine Berufung in den Bundeskulturrat. Ferner war F. Präsident der Gesellschaft für Sammlung und Konservierung von Kunst und historischen Denkmälern des Judentums (des Trägervereins des Jüdischen Museums in Wien), der Bibliothekskommission der IKG und der B’nai B’rith-Loge Die Wahrheit, Vizepräsident des Tempelvereins Chewra Beth-Hatfila (der Synagoge in der Müllnergasse) und der Jüdischen Völkerbundliga für Österreich, Kuratoriumsmitglied der israelitisch-theologischen Lehranstalt und des Chajesgymnasiums sowie Mitglied der historischen Kommission der IKG. Im März 1938 wurde F. verhaftet, worauf seine Tochter Lisa Frank F.s Neffen informierte, der wiederum die britische Politikerin Lady Nancy Astor alarmierte. F. wurde daraufhin freigelassen, seine Bibliothek jedoch 1940 geraubt. Für seine Leistungen hatte F. mehrere Ehrungen und Auszeichnungen erhalten: Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens (1908), Offizierskreuz des griechischen Erlöser-Ordens (1911), Hofratstitel (1919), Professorentitel (1923), Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1931), Komturkreuz des österreichischen Verdienstkreuzes mit dem Bande (1936).

W. (s. auch Wininger; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren): Führer durch Carnuntum, 1891, 6. Aufl. 1923 (gem. mit J. W. Kubitschek); Das altjüdische Erziehungs- und Unterrichtswesen im Lichte moderner Bestrebungen, 1910; Josef Unger, 1917; Die Heranbildung der Mittelschullehrer, 1919; Österreichs Bildungswesen. Die Volks-, Bürger- und Mittelschulen, 1920.
L.: Die Wahrheit, 13. 11. 1936; Czeike; Enc. Jud.; Jb. der Wr. Ges.; Jüd. Lex.; Wininger (mit W.); M. Klang, Die geistige Elite Österreichs, 1936; R. Dettelmaier, in: Biblos 5, 1956, S. 157ff.; E. Hartenstein, Heimat wider Willen, 1991, S. 96f.; P. Steines, Hunderttausend Steine. Grabstellen großer Österreicher jüdischer Konfession auf dem Wiener Zentralfriedhof …, 1993, S. 279 (mit Bild); Lexikon deutsch-jüdischer Autoren 7, red. R. Heuer, 1999 (mit W.); F. Baumgartner, in: Artibus atque modis, ed. R. Klepp – M. Seissl, 2001, S. 181ff. (mit Bild); M. Eliav – E. Hildesheimer, Das Berliner Rabbinerseminar, 2008, S. 112; E. Adunka, in: Bibliotheken in der NS-Zeit, ed. S. Alker u. a., 2008, S. 209ff.; UA, Wien.
(E. Adunka)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 4, 1956), S. 346
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>