Friedl, Rudolf (1862–1942), Briefmarkenhändler und Philatelist

Friedl Rudolf, Briefmarkenhändler und Philatelist. Geb. Leipnik, Mähren (Lipník nad Bečvou, CZ), 15. 5. 1862; gest. Wien, 7. 7. 1942; mos. Sohn des Viehhändlers Moritz Friedl (gest. um 1870; mos.) und seiner Frau Marie Friedl, geb. Jahoda (geb. Prerau, Mähren / Přerov, CZ, 10. 8. 1829; gest. Wien, 29. 5. 1922; mos.), Bruder von →Sigmund Friedl, Onkel des 1936 in die USA ausgewanderten Briefmarkenhändlers Otto W. (Waldemar) Friedl (geb. Wien, 22. 10. 1878; gest. New York City, NY / USA, 1951; mos.); verheiratet mit Hermine Friedl, geb. Morgenstern (geb. Wien, 14. 2. 1875), die im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und im September 1942 nach Treblinka überstellt wurde. – F. übersiedelte mit seiner Familie 1868 nach Wien, wo er die Unterrealschule und 1880–81 die Abend-Handelsschule besuchte. Zugleich arbeitete er im Unternehmen seiner Mutter, die in Wien eine Papierhandlung, Druckerei und Couvertfabrik betrieb. Philatelistisches Wissen erwarb F. bereits als Jugendlicher im Briefmarkengeschäft seines Bruders, in das er 1890 eintrat. Ab 1900 beeideter Schätzmeister für Briefmarken und Sammlungen am Wiener Handelsgericht, übernahm er 1904 die Geschäftsführung des Sigmund Friedlʼschen Briefmarken- und Papierhandels, da sich sein Bruder nach den Prozessen um die Merkur-Fälschungen aus dem Markenhandel zurückziehen musste. Später gründete F. in Wien unter dem Namen Markenhaus Rudolf Friedl ein eigenes Unternehmen, als dessen Inhaber er bis 1934 fungierte. Sein Neffe Otto W. Friedl, ab 1923 einer der Gesellschafter, führte 1934–38 die Geschäfte gemeinsam mit den Brüdern Felix W. Pollak und Hans Pollak sowie Ladislas (Ladislaus) Varga, dem späteren Miteigentümer des traditionsreichen französischen Briefmarkenhauses und philatelistischen Verlags Yvert et Tellier, weiter. 1938–39, im Zuge der Arisierung jüdischen Vermögens, verwaltete der Wiener Briefmarkenhändler Hans Rauch kommissarisch F.s Unternehmen. 1939 wurde Rudolf Schiler zum Abwickler bestellt und im Mai 1939 das Markenhaus Rudolf Friedl aus dem Handelsregister gelöscht. F. erfand – nach eigenen Angaben – um 1900 die Briefmarken-Tauschhefte und Dublettenbücher. Neben diversen Katalogen gab er 1898–1915 „Friedls Illustriertes Briefmarken-Offertenblatt“ heraus und stellte bei philatelistischen Ausstellungen seine mehrfach prämierten Exponate seiner Sammlung aus. 1872 bot er eigene Briefmarkenentwürfe für die ungarische Post an: Die in der staatlichen Papierfabrik Schlöglmühl in Payerbach hergestellten Essays wurden allerdings, vermutlich aus Kostengründen, nicht angenommen. F. gehörte zu den bekanntesten Briefmarkenhändlern seiner Zeit, der zu bedeutenden Sammlern und Philatelisten, u. a. zu Friedrich Andreas Breitfuß, Philipp von Ferrary, Alfred Moschkau, →Josef von Posch und Lajos Richter, ebenso gute Kontakte pflegte wie zu den international etablierten Händlern der Branche, u. a. zu Julius Goldner, Paul Lietzow und Julius Schlesinger in Deutschland, Arthur Maury in Frankreich, Jean-Baptiste Moens in Belgien sowie Edward Stanley Gibbons in England. 1906 Mitbegründer und erster Obmann des Österreichischen Briefmarken Händlervereins, war F. Ehrenmitglied mehrerer in- und ausländischer Briefmarkenhändler- und Philatelistenvereine, darunter des Österreichischen Philatelistenclubs Vindobona, des Internationalen Postwertzeichen-Händler-Vereins sowie von The Collectors Club in New York. 1901 erhielt er die goldene Medaille bei der Internationalen Postwertzeichen-Ausstellung in Den Haag.

L.: NFP, 30. 5. 1922; Großes Lexikon der Philatelie, ed. A. Bungerz, 1923; F. Jaksch, Lexikon sudetendeutscher Schriftsteller und ihrer Werke für die Jahre 1900–29, 1929; W. Grallert, Lexikon der Philatelie, 2003; W. Maassen, Meilensteine der philatelistischen Literatur des 19. Jahrhunderts, 2014, S. 153, 164; W. Maassen, Wer ist wer in der Philatelie?, 2, 2017; Österreichischer Briefmarken- und Münzenhändlerverband (online, Zugriff 22. 3. 2016); Zedhia, Zentraleuropäisches digitales wirtschafts- und gesellschaftshistorisches interaktives Archiv (online); Israelitische Kultusgemeinde Lipník nad Bečvou, CZ.
(Á. Z. Bernád)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)