Friedl, Sigmund (Siegmund, Sigismund); Ps. Simplicius (1851–1914), Briefmarkenhändler, Philatelist und Fachschriftsteller

Friedl Sigmund (Siegmund, Sigismund), Ps. Simplicius, Briefmarkenhändler, Philatelist und Fachschriftsteller. Geb. Leipnik, Mähren (Lipník nad Bečvou, CZ), 11. 1. 1851; gest. Wien, 7. 4. 1914; mos. Sohn des Viehhändlers Moritz Friedl (gest. um 1870; mos.) und seiner Frau Marie Friedl, geb. Jahoda (geb. Prerau, Mähren / Přerov, CZ, 10. 8. 1829; gest. Wien, 29. 5. 1922; mos.), die in Wien eine Papierhandlung, Druckerei und Couvertfabrik betrieb, Bruder des Briefmarkenhändlers und Philatelisten →Rudolf Friedl, Vater des 1936 in die USA ausgewanderten Briefmarkenhändlers Otto W. (Waldemar) Friedl (geb. Wien, 22. 10. 1878; gest. New York City, NY / USA, 1951; mos.); ab 1877 verheiratet mit Emilie Friedl, geb. Siegel (geb. Hohenstadt, Mähren / Zábřeh, CZ, 3. 3. 1856; gest. Wien, 13. 3. 1919; mos.). – Vor der Übersiedlung der Familie nach Wien 1868 besuchte F. Mitte der 1860er-Jahre die Handelsschule in Brünn. Nach eigenen Aussagen sammelte er bereits als Jugendlicher ab 1863 Briefmarken, ab 1866 bot er diese auch zum Verkauf an. Er soll zwischen 1870 und 1872 sein Geschäft Markenhaus Sigmund Friedl in Wien eröffnet haben, ein Papierhandel ist ab Anfang der 1870er-Jahre nachweisbar, sein Papier- und Briefmarkenhandel am Kärntnerring ab 1879. Den Postwertzeichen-Verkauf dürfte er 1870–76 auch im Rahmen des von seiner Mutter geleiteten Unternehmens betrieben haben. F. avancierte in den 1870er-Jahren zu einem der renommiertesten Händler von Briefmarkenraritäten seiner Zeit. Zu seinen Kunden zählten Sammler wie Philipp von Ferrary, der Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts die weltweit wertvollste Postwertzeichensammlung besaß und auch von F. mehrere Unikate, darunter den berühmten 20er-Bogen des sogenannten Sachsendreiers sowie den schwedischen Tre-Skilling-Banco-Fehldruck, kaufte. Ferrary, österreichischer Staatsbürger und mit F. persönlich befreundet, erwarb in Burgau am Attersee ein Grundstück und ließ dort für ihn die „Friedl Villa“ errichten. F., 1876–79 Herausgeber der „Wiener Illustrierten Briefmarken-Zeitung“ (1880–98 unter dem Titel „Weltpost“ erschienen), der ersten philatelistischen Fachzeitschrift in Österreich, sowie des für Briefmarkenhändler konzipierten Beiblatts „Philatelistische Berichte“ (1876–98), publizierte mehrere Kataloge und Handbücher („Illustrirter Katalog sämmtlicher bis 1876 erschienenen Briefmarken“, 1877; „Handbuch und Preiskatalog aller Post- und Telegraphen-Werthzeichen der Erde“, 2 Bde., 1883–84, unvollendet). 1880 Mitbegründer, bis zu seinem Austritt 1896 Obmann des Wiener Philatelisten-Clubs, initiierte und organisierte F. in Wien die internationalen Ausstellungen Wiener Philatelistenclub Postwertzeichenausstellung (1881) sowie die Internationale Postwertzeichen-Ausstellung (1890). 1883 eröffnete er in seiner Villa in Unterdöbling das bis 1896 bestehende Internationale Postwerthzeichen-Museum (1891 Eröffnung in der Plankengasse, 1892 geschlossen und wiedereröffnet in Unterdöbling). Legendär war seine philatelistische Fachbibliothek. Trotz all seiner Verdienste um die Philatelie steht der Name F. wie kein anderer in Österreich auch für die Schattenseiten des Briefmarkenhandels. Bereits in den 1870er-Jahren des Verkaufs von gefälschten Marken beschuldigt, wurden ihm die Fälschungen der 1851–56 verausgabten drei teuren Merkure (darunter der wertvollsten österreichischen Briefmarke, des sogenannten Zinnoberroten Merkurs), die er ab 1890 vertrieb, zum Verhängnis. Nachdem diese 1896 als Fälschungen enthüllt worden waren, musste F. nach einem Gerichtsurteil 1899 alle Käufer entschädigen. Bereits 1896 zog er sich aus dem Markenhandel zurück, schloss sein Museum und verkaufte in der Folge auch Exponate, die er als Schenkungen erhalten hatte. 1904 übernahmen sein Sohn und sein Bruder die Geschäftsführung des Briefmarken- und Papierhandels. 1905 brannte die „Friedl Villa“ am Attersee, wohin er sich zurückgezogen hatte, ab. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Wien. F., Mitglied des Österreichischen Fachschriftsteller-Verbands und zahlreicher anderer Vereine, wurde mit dem Offizierskreuz des königlich serbischen Takova-Ordens sowie des königlich serbischen Ordens vom Roten Kreuz ausgezeichnet.

Weitere W.: s. Maassen, 2014; Wer ist wer in der Philatelie?
L.: NFP, 8. 4. 1914 (Parte), 14. 3. 1919, 30. 5. 1922; F. Schüller, Die persische Post und die Postwertzeichen von Persien und Buchara, 1893, passim; A. Bungerz, Großes Lexikon der Philatelie, 1923; E. Müller, Die Postmarken von Österreich, 1927, S. 89f.; F. Jaksch, Lexikon sudetendeutscher Schriftsteller und ihrer Werke für die Jahre 1900–29, 1929; U. Häger, Großes Lexikon der Philatelie, 1974; U. Ferchenbauer, Österreich 1850–1918, 6. Aufl. 2000, S. 300; W. Grallert, Lexikon der Philatelie, 2003; W. Maassen, Meilensteine der philatelistischen Literatur des 19. Jahrhunderts, 2014, passim (mit W.); W. Maassen, Wer ist wer in der Philatelie?, 2, 2017 (mit W.); Zedhia, Zentraleuropäisches digitales wirtschafts- und gesellschaftshistorisches interaktives Archiv (online); Israelitische Kultusgemeinde Lipník nad Bečvou, CZ.
(Á. Z. Bernád)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)