Fröhlich, (Maria) Anna (Nanette, Netti) (1793–1880), Sängerin, Pianistin und Pädagogin

Fröhlich (Maria) Anna (Nanette, Netti), Sängerin, Pianistin und Pädagogin. Geb. Wieden, Niederösterreich (Wien), 19. 9. 1793 (Taufdatum); gest. Wien, 11. 3. 1880. Tochter von Matthias Fröhlich (Frölich) (s. u.) und seiner Frau Barbara, geb. Mayr (geb. Wien, 28. 2. 1767; gest. ebd., 4. 8. 1841), Schwester von →Josephine Fröhlich, →Barbara Fröhlich und →Katharina Fröhlich. – F. war die älteste der vier außergewöhnlich begabten Schwestern F., die das Musikleben Wiens im 19. Jahrhundert wesentlich mitgestalteten. Ihren ersten musikalischen Unterricht erhielt sie von ihrer Mutter, Elementarunterricht bekam sie bei einem Chorregenten namens Hauß. Von →Johann Nep. Hummel wurde sie zu einer hervorragenden Pianistin ausgebildet, deren Fähigkeiten besonders im Blattspiel einzigartig waren. →Ludwig van Beethoven soll 1809 zwei Kadenzen zu seinem ersten Klavierkonzert für sie geschrieben haben, die allerdings verloren gingen. F.s Gesangslehrer war →Giuseppe Siboni, der später auch ihre Schwester Josephine unterrichtete. Bereits 1814 scheint F. im Mitgliederverzeichnis der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien als ausübendes Mitglied im Sopran auf. 1819 wurde sie in der zwei Jahre zuvor gegründeten Singschule der Gesellschaft der Musikfreunde neben →Philipp Korner und Josef Frühwald, dem Leiter der Hofsängerknaben, als dritte Gesangslehrerin angestellt. Aus dieser Institution ging später das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde hervor, an dem F. (mit Unterbrechung 1848–51) bis 1854 unterrichtete. Ab 1834 leitete sie am Konservatorium zusätzlich eine Klasse „zur höheren Ausbildung im Gesange“, entsprechend einer Opernklasse. Da sie selbst keine Bühnenerfahrung hatte, wurde ihre Qualifikation dafür in Zweifel gezogen, doch konnte sie ihre Stellung mit Hilfe eines von →Franz Grillparzer aufgesetzten Schreibens an die Gesellschaft der Musikfreunde behaupten. Bei ihrer Neuanstellung 1851 wurde F. jedoch nur mehr für die dritte Gesangsklasse und nicht mehr für die höhere Gesangsklasse verpflichtet. In ihrem ersten Anstellungsjahr hatte sie ihre Schwester Josephine zur Schülerin, für die sie besonderes Lob bekam. Zu ihren bedeutendsten Schülerinnen gehörten Therese Jander (Janda), Marie Remond, Louise Augusta Gosmar (Ehefrau von →Leopold von Sonnleithner) und die Töchter des Bankiers →Johann Heinrich Freiherr von Geymüller. F. und ihre Schwestern waren Mitgestalterinnen der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde in Privatwohnungen wie der des Advokaten →Ignaz von Sonnleithner oder der des Hofrats →Raphael Georg Kiesewetter von Wiesenbrunn, bei dem F. nach dem Tod von Jan Václav Voříšek die Hauskonzerte leitete. 1826 übersiedelte sie in die Spiegelgasse (Wien 1) – diese Adresse wurde für Jahrzehnte zum Treffpunkt des musikalischen Wien. →Franz Schubert, der die Schwestern durch Leopold von Sonnleithner kennenlernte, war ein häufiger Gast in ihrem Haus, wie schon zuvor in der Singerstraße. F. war auch die Klavierbegleiterin von August Ritter von Gymnich, als dieser Schuberts „Erlkönig“ im Salon Sonnleithner 1820 uraufführte. Schubert vertonte für F.s Gesangsschülerinnen den 23. Psalm (D 706) und „Gott in der Natur“ (D 757). Sein „Ständchen“ (D 920, nach einem Gedicht von Grillparzer) schrieb er auf F.s Anregung anlässlich des Geburtstags von Louise Augusta Gosmar. Dieses Werk wurde später bei Schuberts einzigem öffentlichen Konzert im März 1828 von F.s Gesangsschülerinnen vorgetragen. Auch seine Komposition „Schicksalslenker, blicke nieder“ („Des Tages Weihe“ D 763) für die Baronin Geymüller geht auf die Vermittlung F.s zurück. 1829 veranstaltete sie ein Konzert, das wegen des überwältigenden Erfolgs wiederholt wurde und mit dessen Erlös ein Grabdenkmal für Schubert auf dem Währinger Friedhof errichtet wurde. Mit Grillparzer, der ab 1849 Untermieter der Schwestern war, spielte F. täglich eine Stunde vierhändig Klavier. Mit dem Erlös des Verkaufs von drei Schubert-Handschriften aus ihrem Besitz stiftete sie das Grillparzer-Denkmal im Kurpark Baden. F. starb als letzte der Schwestern. Sie setzte in ihrem Testament die Schwestern-Fröhlich-Stiftung als Universalerbin ihres Vermögens ein. F.s Vater Matthias Fröhlich (Frölich) (geb. Pottendorf, Niederösterreich, 24. 8. 1756; gest. Wien, 14. 3. 1843) hatte 1790 Barbara Mayr geheiratet. Er war Normallehrer, Hofbau-Direktionsschreiber, Französischlehrer und wurde schließlich Weineinschlagmacher, wobei er Weinfässer mittels eines speziellen Verfahrens resistent gegen Schimmelpilze machte. Er bekam für sein Unternehmen ein Privileg und wurde damit so reich, dass er sich ein Landhaus in Döbling (Wien) leisten konnte, in dem auch Beethoven zeitweise gewohnt haben soll. Die Fabrik führte später seine Frau, von der er vermutlich schon vor 1811 getrennt mit seinen Töchtern lebte. Er wirkte nun als Armenvater. Während der 1810er-Jahre dürfte er aber sein gesamtes Vermögen verloren haben, sodass die Schwestern bald finanziell auf sich gestellt waren.

L.: Neuigkeits-Weltblatt, 17. 7. 1874; Grove, 2001 (Familienartikel); MGG II; R. Heuberger, F. Schubert, 1902, S. 45f. (mit Bild); W. v. Wickenburg-Almásy, in: Grillparzers Gespräche ... 1, ed. A. Sauer, 1904, S. 299ff.; J. Blaha, Die Schwestern F., phil. Diss. Wien, 2002 (mit Bild); B. Hennenberg, Das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 2013, S. 376ff.; Pfarre St. Leopold, Wien. – Matthias F.: Auguste Littrow-Bischoff, in: Grillparzers Gespräche ... 1, ed. A. Sauer, 1904, S. 306ff. (auch für die Schwestern F.).
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 4, 1956), S. 372
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