Gauermann, Jakob (1773–1843), Maler und Kupferstecher

Gauermann Jakob, Maler und Kupferstecher. Geb. Oeffingen, Württemberg (Fellbach, D), 3. 9. 1773; gest. Wien, 27. 3. 1843 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof). Sohn des Landtischlers Martin Gauermann (1732–1800) und seiner Frau Magdalena Gauermann, geb. Gfrerer (Gfröhrer) (1734–1785), Vater der Maler →Friedrich Gauermann und Carl Gauermann (1804–1829), Schwiegervater von →Joseph Höger und dem Maler Anton Pollak; ab 1803 mit Rosina Schöffstoß, der Stieftochter des Klavier- und Hoforgelbaumeisters Anton Walter, verheiratet. – G. begann im Alter von 13 Jahren mit einer Steinmetzlehre in Hohenheim bei Stuttgart, während der ein Kammerherr des Herzogs Karl Eugen von Württemberg sein Zeichentalent entdeckte. Er erhielt daraufhin ein Stipendium für die Stuttgarter Karls-Akademie, wo G. ab 1789 als Kupferdrucker und -stecher ausgebildet wurde. Von 1794 datieren erste bekannte Werke, Zeichnungen für eine radierte Ansichtenserie aus der Gegend um Heilbronn, die der Verleger Carl Lang aus Heilbronn herausgab. Dieser ermöglichte ihm ab 1798 den Besuch der Akademie der bildenden Künste in Wien, nach Langs Insolvenz musste er sich sein Studium jedoch bald selbst verdienen. Als Zeichenlehrer bei dem Kunstsammler Johann Michael Ritter von Held beschäftigt, lernte er in dessen Haus viele Persönlichkeiten des Wiener Kunstlebens kennen, darunter den Landschaftsmaler Martin von Molitor, der sein Lehrer und Freund wurde. Mit ihm unternahm er 1802 eine Reise nach Tirol und setzte etliche von dessen Zeichnungen in Radierungen um. Die Landschaftsauffassung Molitors und dessen Kompositionsschemata wurden für das gesamte landschaftliche Schaffen G.s verbindlich. Nach seiner Heirat bewirtschaftete er während des Sommers den Bauernhof seines Schwiegervaters in Miesenbach im Schneeberggebiet. Dieser Hof, den G. später erwarb und der sich bis heute im Besitz seiner Nachkommen befindet, wurde in der Folge für die Wiener Biedermeiermalerei insofern bedeutsam, als sich dort seine Söhne Friedrich und Carl mit ihren Malerfreunden zu Naturstudien und Bergwanderungen trafen. Bis 1810 fertigte G. Radierungen nach idealen Landschaften von Nicolas Poussin und Gaspard Dughet, Darstellungen ländlicher Berufe in der Nachfolge der Kaufrufe Johann Christian Brands und narrative Schilderungen der bäuerlichen Bevölkerung. Ein internationaler Erfolg gelang ihm 1809 mit seinem aus 25 Illustrationen bestehenden Beitrag für das 1821/22 in Paris erschienene dreibändige topographisch-kulturhistorische Ansichtenwerk „Voyage pittoresque en Autriche“ des französischen Diplomaten Alexandre comte de Laborde. 1811 unternahm G. seine erste Reise mit Erzherzog →Johann durch die Steiermark, mit der seine jahrelange Tätigkeit für diesen Auftraggeber begann. Die „Prospecte Steyrischer Landschaften“, rund 150 großformatige Landschaftsaquarelle mit Darstellungen v. a. der vom Erzherzog bevorzugten gebirgigen Landesteile, sind G.s Hauptwerk. Der an der idealistisch-klassizistisch geprägten Wiener Akademie ausgebildete Künstler gelangte darin, den Forderungen seines Auftraggebers nach einer topographischen Landesaufnahme genügend, zu einer frühen Form des Realismus, die als Vorstufe des Biedermeierrealismus gelten kann. Aufgrund der Verwahrung der Blätter in der privaten Sammlung des Erzherzogs konnten diese allerdings für die Kunstentwicklung kaum wirksam werden. Für die Kulturgeschichte der Steiermark sind sie nicht zuletzt aufgrund der Dokumentation von frühen industriellen Einrichtungen von größtem Wert. 1815 wurde G. wirkliches Mitglied der Wiener Akademie der bildenden Künste, ab 1818 bis zu seinem Lebensende war er Kammermaler Erzherzog Johanns mit regelmäßiger Entlohnung; in dieser Position waren ihm →Karl Russ und Johann Kniep vorausgegangen, →Matthäus Loder und →Thomas Ender hatten sie zur gleichen Zeit inne und standen zu G. in einem Konkurrenzverhältnis. Für Erzherzog Johann schuf G. außer den Landschaften Schilderungen von Szenen aus dessen persönlichem Leben, Genrebilder mit Darstellungen der bäuerlichen Lebens- und Arbeitsweisen und die „Szenen aus dem Leben eines Alpenjägers“. Zum Teil fanden sie in das ikonographische Programm der Glasfenster auf dem Brandhof, dem Landsitz von Erzherzog Johann am Fuß des Seebergs in der Obersteiermark, Eingang. Qualitätsvoll in ihrer Spontaneität und in der Sicherheit des Strichs sind v. a. auch die lavierten Tusche-Skizzen zu den ausgeführten Arbeiten. Von G.s Leben und seinen weit gespannten naturwissenschaftlichen wie kunsttheoretischen Interessen geben 20 Tagebücher Zeugnis, die sich in der Neuen Galerie Graz (Universalmuseum Joanneum) und im Landesmuseum Niederösterreich in St. Pölten erhalten haben.

Weitere W.: s. Marko.
L.: ADB; AKL; Czeike; Fuchs, 19. Jh.; Thieme-Becker; Wurzbach; J. G., in: Morgenblatt für gebildete Stände / Kunst-Blatt 15, 1821, S. 225ff.; W. Koschatzky, in: Die Kammermaler um Erzherzog Johann, Graz 1959, S. 48ff. (Kat.); R. List, Kunst und Künstler in der Steiermark 1, 1967; E. Marko, J. G. (1773–1843), Leben und Werk, phil. Diss. Graz, 1980 (mit W.); G. Danzer, in: Von der Schönheit der Natur. Die Kammermaler Erzherzog Johanns, ed. K. A. Schröder – M. L. Sternath, Wien 2015, S. 59ff., 246ff. (Kat.); ABK, Wien.
(G. Danzer)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 5, 1957), S. 411f.
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