Gerlach, Martin d. Ä. (1846–1918), Photograph und Verleger

Gerlach Martin d. Ä., Photograph und Verleger. Geb. Hanau, Hessen (D), 13. 3. 1846; gest. Wien, 9. 4. 1918; evang. AB. Sohn von Georg Gerlach und Katharina Gerlach, geb. Schwarz, Vater u. a. von →Martin Gerlach d. J. und Franz Gerlach (1876–1952); ab 1869 in 1. Ehe mit Laura Eßbach, ab 1874 in 2. Ehe mit Maria Meinel verheiratet. – G. besuchte in Hanau die Bürgerschule und anschließend die dortige Zeichenakademie. Er lernte sechs Jahre die Ziseleur- und Graveurkunst und fertigte Entwürfe sowie Musterzeichnungen für die Gold- und Juwelierbranche. 1868 gründete er gemeinsam mit A. Schwarz in Berlin ein Gold- und Juweliergeschäft, das bis zu 50 Mitarbeiter beschäftigte, jedoch 1870 liquidiert werden musste. G., der auch über die Gold- und Juwelenindustrie publizierte und teilweise nach Photographien zeichnete, gründete 1872 eine Verlagsbuchhandlung in Berlin, wobei er sich auf die Veröffentlichung kunstgewerblicher Schriften spezialisierte (z. B. „Die Perle. Musterblätter für Juweliere und Goldarbeiter“, 1872ff.). 1874 übersiedelte er nach Wien und eröffnete mit Ferdinand Schenk das Polygraphische Kunstinstitut und den Kunstverlag Martin Gerlach & Comp., der von 1882 an Gerlach & Schenk, Verlag für Kunst und Gewerbe, hieß. G., der auch selbst schöpferisch tätig war, begann zu photographieren, verwendete aber für seine Publikationen nicht nur eigene Aufnahmen. Er verfasste Vorlagenwerke für bildende Künstler und Kunsthandwerker („Allegorien und Embleme“, 1882; „Blumen und Pflanzen zur Verwendung für kunstgewerbliche Decorationsmotive und den Zeichenunterricht“, 1892), wobei er von organischen Strukturen und Naturformen ausging. 1895 wurde er Mitglied der Photographischen Gesellschaft in Wien und unternahm zahlreiche Studienreisen innerhalb der Monarchie sowie nach Bayern, insbesondere um volkskundliche Motive photographisch festzuhalten. Nach der Trennung von Schenk (1901) führte er den Betrieb unter Beteiligung seines Mitarbeiters Albert Wiedling unter der Bezeichnung Martin Gerlach & Co., Buch- und Kunstverlag, weiter, ab 1904 firmierte der Verlag unter Gerlach & Wiedling, Buch- und Kunstverlag. Zwischen 1901 und 1920 entstanden u. a. 34 illustrierte Kinderbücher („Gerlachs Jugendbücherei“) und „Meisterwerke deutscher Prosa“, für die namhafte Künstler (darunter →Gustav Klimt, →Heinrich Lefler, →Koloman (Kolo) Moser, Franz von Stuck und Max Klinger) gewonnen werden konnten. Als Kommissionsverlag der Stadt Wien veröffentlichte er auch mehrere Werke zur Geschichte und Topographie der Stadt (z. B.: Martin Paul, Technischer Führer durch Wien, 1910; Paul Kortz, Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts, 2 Bde., 1905–06). Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Franz die Verlagsagenden. Thematische Schwerpunkte von G.s photographischer Tätigkeit waren Architektur, Ornamentik und Pflanzenstudien, wobei ein nüchterner, dokumentarischer Stil vorherrschte, der nur bei Städte- und Gebäudeaufnahmen gelegentlich eine idyllisierende Note erfuhr und der dem heimatkundlichen Gedanken entsprach. Mit seinen Makro- und Mikroaufnahmen schuf er eine Bildwelt der Formen, wie sie in den 1920er-Jahren die Moderne der Neuen Sachlichkeit in der Photographie für sich in Anspruch nehmen sollte. G. wurde 1907 kaiserlicher Rat, 1913 Ritter des Franz Joseph-Ordens.

Weitere W.: Die Pflanze in Kunst und Gewerbe, 2 Bde., 1886–87; Festons und decorative Gruppen nebst einem Zieralphabete aus Pflanzen und Thieren …, 1893; Baumstudien, 1894; Ornamente alter Schmiedeeisen, 1895; Wien. Eine Auswahl von Stadtbildern, (1900); Formenwelt aus dem Naturreiche, 1902–04; Volkstümliche Kunst. Ansichten von alten heimatlichen Bauformen …, Hausrat, 1904; Alte Grabmalkunst, 1909; Volkstümliche Kunst. Österreich-Ungarn, 1911; Die Wachau in Wort und Bild, 1912. – Ed.: Die Quelle 1–12, 1902–15.
L.: Oesterreichisch-ungarische Buchhändler-Correspondenz 42, 1901, S. 604, 59, 1918, S. 182; Österreichisch-Ungarische Buchdrucker-Zeitung 40, 1912, S. 231, 44, 1916, S. 53f.; Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel 73, 1932, Nr. 15, S. 3f.; W. Mayer, Wien im Spiegel des Fotoarchivs Gerlach. Stadtbild und Baugeschehen 1925–72, Wien 1990, S. 3ff. (Kat.); T. Starl, Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945, 2005; ders., Bio-Bibliografie zur Fotografie in Österreich (nur online, Zugriff 5. 11. 2015).
(T. Starl)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)