Gerlach, Martin d. J. (1879–1944), Photograph und Verleger

Gerlach Martin d. J., Photograph und Verleger. Geb. Wien, 2. 4. 1879; gest. ebd., 18. 7. 1944. Sohn von →Martin Gerlach d. Ä., Vater des Photographen Kurt Gerlach (geb. Wien, 17. 10. 1919); ab 1904 in 1. Ehe mit Marie Huy, in 2. Ehe mit Anna Mohl verheiratet. – G. besuchte 1896–99 die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und erlernte die Photographie in den Wiener Ateliers von →Hermann Clemens Kosel und →Josef Löwy. Anschließend arbeitete er als Volontär in Klischee- und Lichtdruckanstalten in Deutschland. 1906 eröffnete er ein Photoatelier in Wien und arbeitete nach dem 1. Weltkrieg als Hausphotograph für den Industriellen und Sammler Camillo Castiglioni. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er dessen Agenden im Verlag, nach dem Ableben von Albert Wiedling führte er ab 1923 die Firma Gerlach & Wiedling gemeinsam mit dessen Sohn Walter Wiedling weiter. Ab 1925 arbeitete G. verstärkt für die Gemeinde Wien und dokumentierte die städtebauliche Entwicklung, photographierte daneben aber ebenso für Galerien sowie für Bildbände. Schwerpunkt seiner Arbeit blieb jedoch die Architekturphotographie, insbesondere für die Bauten des Roten Wien, dessen Wohnanlagen, Spitäler, Kinderheime und andere soziale Einrichtungen in oftmals umfangreichen Serien dokumentiert wurden. Weiters hielt G. Veranstaltungen der Stadt Wien photographisch fest, wie 1925 die Hygiene-Ausstellung und 1926 die Internationale Städtebau-Ausstellung. Besonders die Gebäudeaufnahmen fanden häufige Wiedergabe in Zeitschriften wie „Moderne Welt“, „Der Kuckuck“ und „Radio Wien“. Weiters photographierte er u. a. für die Architekten Josef Frank und Josef Hoffmann und erhielt von →Adolf Loos den Auftrag, dessen sämtliche Bauten für die von Heinrich Kulka 1931 herausgegebene Publikation „Adolf Loos. Das Werk des Architekten“ abzulichten. G. war in der 1. Hälfte der 1930er-Jahre in mehreren Ausstellungen der Genossenschaft der Photographen in Wien vertreten und gehörte zu den Vertragsphotographen der Radio Verkehrs AG (RAVAG). 1940 trat er der NSDAP bei. G., der das Wien in der Kriegszeit dokumentierte, gilt neben Bruno Reiffenstein als der bedeutendste österreichische Architekturphotograph der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine sachlichen, meist menschenleeren Darstellungen der städtischen Gebäude in Wien zählen bis heute zu den wesentlichen urbanen Bildquellen der Zeit zwischen den Weltkriegen. Im Wiener Stadt- und Landesarchiv befinden sich ca. 21.000 Aufnahmen, die im Auftrag der Stadt Wien entstanden waren. Seine Witwe führte nach seinem Tod den Betrieb weiter, 1947 wurde sein Sohn Geschäftsführer und übernahm 1961 die Firma; 1989 erfolgte die Auflösung des Unternehmens. G. war Mitglied der Photographischen Gesellschaft.

L.: W. Mayer, Wien im Spiegel des Fotoarchivs Gerlach. Stadtbild und Baugeschehen 1925–72, Wien 1990, S. 3ff. (Kat.); M. Altfahrt, in: Studien zur Wiener Geschichte 57/58, ed. F. Opll – K. Fischer, 2002, S. 7ff.; T. Starl, Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945, 2005; W. Moser, M. G. jun. fotografiert A. Loos: die Villa Moller zwischen Dokumentation und Interpretation, hist.-kulturwiss. DA Wien, 2007; H. R. Stühlinger, in: Gedruckte Fotografie. Abbildung, Objekt und mediales Format, ed. I. Ziehe – U. Hägele, 2015, S. 117ff.; T. Starl, Bio-Bibliografie zur Fotografie in Österreich (nur online, Zugriff 14. 11. 2015).
(T. Starl)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)