Gessmann, Albert (1852-1920), Politiker

Gessmann Albert, Politiker. * Wien, 18. 1. 1852; † Prein b. Reichenau (N.Ö.), 7. 7. 1920. Entstammte einer Lerchenfelder Bürgerfamilie; absolv. das akad. Gymn. und stud. an der Univ. Wien Geschichte und Geographie, Dr.phil.; 1870 Militärbeamter im Kriegsarchiv, 1876 bis 1903 Amanuensis und später Kustos an der Wr. Universitätsbibliothek. G. trat frühzeitig in das polit. Leben ein (demokrat. Partei) und wurde Obmann des demokrat. Wählerver. Wien-Neubau. 1882 in den Wr. Gemeinderat gewählt, schloß er sich Lueger an und wurde Mitbegründer der christlichsoz. Partei, an deren Entwicklung er als Agitator und Organisator großen Anteil hatte. 1891 zog er zusammen mit Lueger als Zweimännerpartei in den Reichsrat ein, 1896 in den n.ö. Landtag, von wo er in den Landesausschuß und in den Landesschulrat entsendet wurde. 1904/05 widmete er sich besonders der Innenpolitik, trat für das allg. Wahlrecht ein, versuchte die Wahlreform zu einer Verfassungsreform auszubauen und vertrat die Idee eines Nationalitätenstaates mit weitgehender Autonomie. 1907 gelang ihm die Vereinigung der christlichsoz. mit der kath. Volkspartei. Nov. 1907 wurde G. im Kabinett Beck zunächst Min. ohne Portefeuille, Nov. 1908 Arbeitsmin., 1910 Obmann des christlichsoz. Verbandes im Abgeordnetenhaus. Nach der Wahlniederlage der Christlichsozialen von 1911 legte er seine Ämter nieder und zog sich über ein Jahr von der Partei zurück. In den folgenden Jahren suchte er eine friedliche Lösung der europ. Spannungen zu erreichen und trat für eine allseitige Verständigung ein. Herbst 1914 forderte er erfolglos von der Regierung eine neue Verfassung auf der Grundlage eines nationalen Föderativsystems; 1917 lebenslängl. Herrenhausmitgl. G., ein glänzender Redner, den Lueger „Organisator des Sieges“ nannte, erwarb sich um die Erstarkung der christlich-soz. Presse, um die Begründung der Bauernbünde in N.Ö., Mähren und Tirol, um die Hebung des n.ö. Schulwesens und um die n.ö. Landesversicherungsanstalten große Verdienste und war neben Lueger die Seele der christlichsoz. Partei.

W.: Der Notstand im n.ö. Waldviertel, 1901; Landes- und Amtsblatt des Erzherzogtums unter der Enns. 1905–1920; Zur Mittelschulreform, 1908.
L.: N.Fr.Pr. und N.Wr.Tagbl. vom 7. 7. 1920; Wr.Ztg. und R.P. vom 8. 7. 1920; E. Binder, Dr. A. G., Diss. Wien, 1950; Czedik; R. Kuppe, K. Lueger und seine Zeit, 1933; F. Funder, Vom Gestern ins Heute, 1952; Biogr. Jb. 1920.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 5, 1957), S. 432
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