Geyr (Geyer), Johann Josef Martin (Johann Nepomuk) (1807–1874), Kunsttischler

Geyr (Geyer) Johann Josef Martin (Johann Nepomuk), Kunsttischler. Geb. Innsbruck (Tirol), 21. 6. 1807; gest. ebd., 28. 5. 1874; röm.-kath. Sohn des Tischlermeisters Josef Geyr und seiner Gattin Maria Geyr, geb. Wörlin; ab 1843 verheiratet mit Kreszenz Fankhauser, Tochter des Schmieds Georg Fankhauser und der Maria Schwitzer. – G. erlernte als Ältester von vier Geschwistern bei seinem Vater das Tischlerhandwerk, übernahm den väterlichen Betrieb und erarbeitete sich schon bald einen ausgezeichneten Ruf als Tischlermeister. Daneben handelte er auch mit Immobilien und war als Geldverleiher tätig. G. orientierte sich mit seinen Möbeln zunächst am Vorbild von Thomas Sheraton, der mit seinen Entwürfen für feingliedrige Möbel – sein mehrbändiges Werk „The Cabinet-Maker and Upholsterer’s Drawing-Book“ (1791–93) war bereits 1794 auf Deutsch erschienen – in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts einen eigenen Stil in England prägte (Sheraton-Stil oder Georgian-Style). Von diesem beeinflusst, übernahm G. für seine Möbel einfache, aber elegante Formen mit schlanken geraden Beinen von quadratischem Querschnitt sowie Verzierungen mit streifenförmigen, schlichten Intarsien. G.s Spezialität waren sogenannte Fadenintarsien, schmale, aderförmige Furniereinlagen aus Ahornholz, zumeist als Rahmungen von Feldern sowie zur Akzentuierung der geschwungenen, bogenförmigen konstruktiven Teile der Möbel eingesetzt. Die Adern endeten häufig in stilisierten Blatt- oder Knospenformen. Für seine frühen Möbel verwendete G. teures Mahagonifurnier, das v. a. im gehobenen Bürgertum und in Adelskreisen beliebt war. Schon bald konnte er einen ausgewählten Kundenkreis für sich gewinnen. 1841 erhielt er gemeinsam mit dem Tapezierer Johann Melzer den Großauftrag, die Innsbrucker Hofburg mit neuen Möbeln auszustatten. Weitere Aufträge durch die Residenz-Schlossverwaltung der Hofburg folgten bis 1860. Neben Salongarnituren, Schreibzimmermöbeln, Schlafzimmereinrichtungen und Garderoben stellte er auch Türen und Fensterrahmen her und führte Restaurierungsarbeiten an älteren Möbeln sowie Reparaturen an Fußböden durch. 1857 stattete er die Hofkapelle mit Betstühlen, Knieschemeln und Musikpulten aus. Ab den 1840er-Jahren verwendete er für seine Möbel zunehmend Nussbaumholz. Die klassizistischen Formen wichen einer reich verzierten, neobarocken Ausgestaltung. G. zählt mit seinen Arbeiten zu den bedeutenden Kunsttischlern Österreichs des Spätbiedermeiers. Weitere Werke befinden sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, im Bundesdenkmalamt Innsbruck, im Amt der Tiroler Landesregierung (Landhaus 1), in der Universität Innsbruck, auf Schloss Friedberg bei Volders, in der Hofburg, im Hofmobiliendepot Wien sowie im Museum für Angewandte Kunst Wien.

L.: Innsbrucker Nachrichten, 28. 5. 1874 (Parte); AKL; Thieme-Becker; A. Schestag, in: Kunst und Kunsthandwerk 6, 1903, S. 285ff.; K. Zimmeter, Unser Tirol, 1919, S. 98f.; C. Fischnaler, Innsbrucker Chronik 1, 1929, S. 71, 4, 1930, S. 202, 336; H. Hochenegg, in: Tiroler Heimatblätter 45, 1970, H. 7/9, S. 74ff.; H. Kreisel – G. Himmelheber, Die Kunst des deutschen Möbels 3, 2. Aufl. 1983, S. 112, 272, 474; H. Reindl, J. G., Kunsttischler in Innsbruck, phil. DA Innsbruck, 1990; H. Ottomeyer – A. Schlapka, Biedermeier. Interieurs und Möbel, 1991, S. 165; L. Hanzl-Wachter, Hofburg zu Innsbruck, 2004, s. Reg.; M. Hörmann, Alles Meister. Kunsthandwerk in Tirol, 2006, s. Reg.; M. Neuwirth, in: Kunst in Tirol 2, ed. P. Naredi-Rainer – L. Madersbacher, 2007, S. 238ff.
(U. Marinelli)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)