Gindely, Anton (1829-1892), Historiker

Gindely Anton, Historiker. * Prag, 3. 9. 1829; † Prag, 24. 10. 1892. G. (eigentlich Gindele), ein Prager Tischlerssohn, hatte durch seinen dt. Vater und seine tschech. Mutter Anteil an dem zweifachen Volkstum seiner Heimat, die für ihn zeitlebens Mittelpunkt seines Schaffens geblieben ist. Nach dem Gymn. besuchte G. an der Prager Univ. theolog., jurist. und philosoph. Vorlesungen. Sein späterer akad. Kollege C. Höfler suchte ihn frühzeitig für böhm. Kirchengeschichte zu gewinnen. G. aber erwarb 1852 nicht nur den philosoph. Doktorgrad, sondern auch eine humanist. und realist. Fächer umfassende Lehrbefähigung. Nach einer kurzen Tätigkeit als Deutschlehrer an der Böhm. Realschule in Prag kam G. 1853 als Supplent für allg. und österr. Geschichte an die Univ. Olmütz. 1855 unternahm G. mit staatlicher Unterstützung seine ersten Archivreisen in Böhmen selbst, in Polen und Deutschland, wo ihm insbesondere die Erschließung des Herrnhut. Archivs glückte. 1857 Prof. an der Böhm. Realschule in Prag, konnte G., dank der Gunst der Regierung dauernd beurlaubt, seine gelehrte Reisetätigkeit sogar noch sehr erweitern und Spanien (Simancas), Frankreich, Belgien und die Niederlande besuchen, wobei er immer vorzugsweise die erste Hälfte des 17. Jhs. im Auge behielt. 1862 ao. Prof. an der Prager Univ., 1867 o. Prof. Der Schätzung Palackýs verdankte G. seine gleichzeitige Ernennung zum Landesarchivar von Böhmen. In dieser Eigenschaft entfaltete er eine großangelegte Tätigkeit zur Hrsg. der Landtagsakten ab 1526, die bis zu seinem Tode 17 Bände umfaßte und redigierte auch die „Monumenta Historica Bohemica“ (5 Bde., 1864–90). Als G.s eigentliches, durch jene Reisen gründlich vorbereitetes Lebenswerk aber dürfen seine allerdings nie abgeschlossenen Darstellungen zur Vorgeschichte und Geschichte des Dreißigjährigen Krieges gelten, wobei besonders seine Forschungen über die Persönlichkeit des P. Dominicus vom Weißen Berge und Wallensteins, von dessen Schuld G. überzeugt war, das hist. Urteil beeinflußten. G., zu dessen Schülern u.a. Friedjung (s. d.) und Werunsky gehörten, war 1873/74 Geschichtslehrer des Kronprinzen Rudolf. Sein Name wurde durch seine in mehrere Sprachen übersetzten Lehrbücher der Allg. Geschichte ein Begriff für Schüler und Lehrer im ganzen alten Österr. Mitgl. der Akad. d. Wiss. in Wien und der Kgl. Böhm. Ges. d. Wiss.

W.: Geschichte der Böhm. Brüder, 1857; Quellen zur Geschichte der Böhm. Brüder, in: Font. rer. austriac. II/19, 1859; Rudolf II. und seine Zeit, 1600–12, 1863, 2. Aufl. 1868; Geschichte der böhm. Finanzen von 1526–1618, in: Denkschriften Wien, Bd. 18, 1869; Geschichte des 30 jähr. Krieges, 3 Bde., 1882; Geschichte der Gegenreformation in Böhmen, 1894; etc.
L.: N.Fr.Pr. vom 31. 1. und 1. 2. 1893; Beilage zur Allg. Ztg., 1893, n. 7; Almanach Wien, 1893; Almanach České akademie, 1893; Otto 10; ADB; A. Lhotsky, Geschichte des Instituts für österr. Geschichtsforschung, 1954; R. Plaschka, Von Palacký bis Pekař, in: Wr. Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas, Bd. 1, 1955.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 5, 1957), S. 441f.
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