Göhler, Hermann Josef Franz (1907–1944), Historiker

Göhler Hermann Josef Franz, Historiker. Geb. Wien, 7. 4. 1907; gest. bei Berditschew, Reichskommissariat Ukraine (Bertyčiv, UA) oder bei Tschernowa-Tribuna, Reichskommissariat Ukraine (Zabara, UA), 19. 1. 1944 (gefallen); röm.-kath. Sohn des städtischen Oberlehrers Wenzel Göhler und der Anna Maria Göhler, geb. Tröster; ab 1937 verheiratet mit Anna Göhler, geb. Martin. – G. besuchte das Realgymnasium in Wien 3, wo er 1927 maturierte. Im selben Jahr begann er an der philosophischen Fakultät der Universität Wien das Studium der Geschichte, Geographie und Kunstgeschichte. 1932 verfasste er seine Dissertation „Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zum Hl. Stephan in seiner persönlichen Zusammensetzung in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestandes 1365–1554“; 1933 Dr. phil. 1931–33 nahm G. zudem am 38. Ausbildungslehrgang des Instituts für österreichische Geschichtsforschung teil, den er mit einer Darstellung zur Bau- und Kunstgeschichte des Zisterzienserstifts Zwettl 1933 abschließen konnte. Trotz der Betrauung mit ehrenvollen Aufgaben und Funktionen im erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseum sowie im Archiv der Wiener Dompropstei gelang es ihm lange Zeit nicht, eine seiner Ausbildung adäquate bezahlte Stelle zu finden. Nach einer nur wenige Monate dauernden Anstellung am Österreichischen Historischen Institut in Rom 1935 war er 1935–37 als Stipendiat des Akademischen Senats der Universität Wien mit der Herausgabe der Rektoratsmatrikel bis 1450 betraut. Erst 1937 konnte er eine Anstellung am Niederösterreichischen Landesarchiv als Hilfskraft erlangen. Nach dem „Anschluss“ 1938 erwiesen sich die Kontakte des prononcierten Katholiken G. zu kirchlichen Kreisen als für seine weitere Karriere schädlich und führten schließlich im selben Jahr zu seiner Kündigung. In weiterer Folge gelang es ihm jedoch, sich als Anhänger der Nationalsozialisten darzustellen, was zu seiner Aufnahme in die NSDAP und 1939 zu seiner neuerlichen Anstellung am Archiv für Niederdonau führte. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, diente ein Jahr an der Westfront, wurde 1941 erneut einberufen und 1943 an die Ostfront versetzt, wo er verwundet wurde. Nach einem Genesungsurlaub rückte er wieder ein und fiel. Wenige Monate nach seinem Tod wurde er in Würdigung seiner wissenschaftlichen Verdienste posthum zum Archivrat ernannt. G.s Hauptarbeitsgebiet lag in der Kirchengeschichte, sehr häufig befasste er sich mit der Geschichte und Kunstgeschichte des Stephansdoms. Von besonderer Bedeutung war seine Institutsarbeit über das Stift Zwettl, in dessen Forschungskontext weitere Arbeiten G.s zur Kunst- und Personengeschichte des Stifts stehen. Mit seiner Dissertation verbunden war auch seine Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichte der Universität Wien.

Weitere W. (s. auch Göhler): Zur Frage nach dem Vollendungsjahr des Wiener Stephansturmes, in: Unsere Heimat, NF 6, 1933; Zur Ikonographie Rudolfs IV. – Zugleich Erläuterungen zum Bildschmuck des Buches, in: E. K. Winter, Rudolph IV. von Österreich 1, 1934; Archivalischer Anhang. Quellen zur Bau- und Kunstgeschichte des Zisterzienserklosters Zwettl, in: P. Buberl, Die Kunstdenkmäler des Zisterzienserklosters Zwettl, 1940 (gem. mit A. Wagner); Eine Beschreibung des Wiener Stephansdomes aus römischen Quellen, in: Unsere Heimat, NF 14, 1941.
L.: Santifaller; K. Lechner, in: Mitteilungen an die Mitglieder des Vereins für Landeskunde von Niederdonau und Wien 2, 1944 (mit Bild); W. Leesch, Die deutschen Archivare 2, 1992; St. Eminger, in: MÖStA 54, 2010, S. 473ff.; H. Göhler, Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zu Sankt Stephan in Wien 1365–1554, ed. J. Seidl u. a., 2015, S. 47ff. (mit Bild und W.); Pfarre St. Rochus, UA, beide Wien; Niederösterreichisches Landesarchiv, St. Pölten, Niederösterreich.
(J. Seidl)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)