Goldscheider, Friedrich (1845–1897), Unternehmer und Fabrikant

Goldscheider Friedrich, Unternehmer und Fabrikant. Geb. Slabetz, Böhmen (Slabce, CZ), 6. 11. 1845; gest. Nizza (Nice, F), 19. 1. 1897 (begraben: Wien, Döblinger Friedhof); mos. Sohn des Kaufmanns und Landwirts Moritz Goldscheider, Vater von Arthur Goldscheider (geb. 1874), Camillo Goldscheider (geb. 1875), des Keramikers Marcell Goldscheider (1887–1964) und von →Walter Goldscheider; ab 1873 verheiratet mit der aus einer vermögenden Familie stammenden Regine Schwarz (geb. 1854; gest. Dezember 1918). – Nach einer kaufmännischen Lehrzeit wurde G. 1867 Gesellschafter der väterlichen Gemischtwarenhandlung und Fabrik zur Erzeugung kohlensaurer Wässer und moussierender Getränke M. Goldscheider’s Erben in Pilsen und beschäftigte sich mit der Nutzbarmachung der Lehm- und Tonlager der Familiengrundstücke, denen er eine Fabrikation feuerfester Waren anschloss. 1877/78 übersiedelte er nach Wien, wo er zunächst eine Porzellanhandlung in Wien 9 eröffnete, die Service und Geschirr aus Karlsbad und Pilsen vertrieb. 1885 gründete er die Goldscheider’sche Porzellan-Manufaktur und Majolica-Fabrik mit Sitz in Wien 1 und übersiedelte diese 1887 unter dem Namen Erste Wiener Terracotta- und Majolika-Fabrik Wien nach Währing (heute Wien 18). Während G. Porzellanservice weiterhin aus seiner Porzellan-Manufactur Carlsbad bezog, konzentrierte er sich in der Wiener Fabrik auf die Produktion und Polychromierung von naturalistischen Figuren, Büsten, Tanagrafiguren, Wandbilder und Vasen aus Terrakotta, aber auch Tabakspfeifen und Tabaktöpfen, womit G. die keramische Kunstindustrie in Wien zum Aufleben brachte. Er arbeitete mit jungen innovativen Künstlern wie auch mit →Art(h)ur Strasser, dem Erneuerer der polychromen Salonplastik, zusammen. Die stetige Schöpfung neuer, dem Zeitgeist und der Mode verpflichteter Modelle und Figuren, die Entwicklung neuer Oberflächenveredelungen und die hohe künstlerische wie technische Qualität der Terrakotten führten rasch zu großen Erfolgen auf nationalen wie internationalen Ausstellungen und dem Export von rund drei Viertel der Produktion u. a. nach Amerika, England und Spanien. Zu G.s erfolgreicher Produktpalette zählten u. a. exotische, farbig gefasste Terrakotta-Figuren, die europäische Klischees des Orients bedienten und den Anschein von Bronzefiguren erweckten, Alt-Wiener Themen wie Berufsdarstellungen, Empire- und Biedermeier-Figuren und Tierdarstellungen. Mit unternehmerischem Geschick expandierte G.: 1891 eröffnete er die Bronzefabrik Frédéric Goldscheider in Paris, wo er mit französischen Bildhauern arbeitete und die wechselseitige Reproduktion von populären Modellen in Bronze (Paris) und Terrakotta (Wien) einführte, 1894 gründete er eine Niederlassung in Leipzig sowie in Berlin, 1896 eröffnete er das Atelier für Marmor Sculpturen Rotonde Barbetti in Florenz. Während eines Aufenthalts in Paris erlitt G. einen Schlaganfall und verstarb bei einem Erholungsaufenthalt in Nizza. Der Familienbetrieb wurde von der Witwe und den Söhnen mit demselben kaufmännischen und künstlerischen Geschick weitergeführt, sodass die Goldscheider-Keramik zur international bekanntesten und langlebigsten Keramik-Manufaktur in Wien werden sollte.

W.: s. Dechant – Goldscheider.
L.: NFP, 24. 1., 5. 2. 1897; Goldscheider Keramik. Historismus – Jugendstil – Art déco, Wien 1985 (Kat.); R. E. Dechant – F. Goldscheider, Goldscheider. Firmengeschichte und Werkverzeichnis …, 2007 (mit Bild und W.); E.-M. Orosz, Breiter Geschmack. Goldscheider. Eine Weltmarke aus Wien, Wien 2007 (Kat.).
(E.-M. Orosz)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)