Gołuchowski, Agenor Romuald Onufr d. Ä. Gf. (1812-1875), Minister und Statthalter

Gołuchowski Agenor Romuald Onufr. Graf, d. Ä., Staatsmann. * Lemberg, 8. 2. 1812; † Lemberg, 3. 8. 1875. Einer der ersten Familien Galiziens entstammend, die sich auf die Leliwa zurückführt. Stud. Jus. an der Univ. Lemberg, Dr.jur. und trat in den Dienst des galiz. Guberniums. Als Gf. Franz Stadion zum Innenmin. der Restaurationsregierung des Fürsten Felix Schwarzenberg ernannt wurde, folgte ihm G. an der Spitze der galiz. Landesverwaltung nach (1849). In dem nun beginnenden Jahrzehnt des Neuabsolutismus konnte G. die Grundentlastungsgeschäfte durchführen und den wirtschaftlichen Tiefstand des Kronlandes zum Teil beheben, Eisenbahn- und Straßenbauten veranlassen und nicht zuletzt das hier im argen liegende höhere und niedere Schulwesen wesentlich verbessern. Besonders wurde ihm die finanzielle Sanierung des für die poln. Kultur wichtigen Ossoliński-Instituts und die Ausschüttung von 200 ausreichenden Stipendien an bedürftige Studenten zugute gehalten. G.s Ruf als Verwaltungsmann und zugleich seine angesehene Stellung in der Adelsges. der Monarchie veranlaßten K. Franz Joseph (s. d.), ihn Gf. Rechberg als Min. des Inneren beizugeben, als die Niederlage des Neuabsolutismus auf den oberitalien. Schlachtfeldern des Sommers 1859 eine geradlinige Weiterführung des Bachschen (s. d.) Kurses unmöglich erscheinen ließ. G. brachte nun feudale, föderalistische und auch slawisch nationale Gesichtspunkte in der Staatsverwaltung entschieden zur Geltung. In diesem Sinne wurde auch der zu einer Modifizierung des Absolutismus und zur Erhöhung des Staatskredits vorgeschlagene Erweiterte Reichsrat gebildet und gelenkt (1. 6.–28. 9. 1860). G. schuf in seinen Verhandlungen die Grundlage für das Gesetzgebungswerk, das als Oktober-Diplom zur Regelung der staatsrechtl. Verhältnisse der Monarchie am 20. 10. 1860, aus k. Vollmacht und ohne als Verfassung zu gelten, in Erscheinung trat. Es ist für immer mit dem Namen des älteren G. verbunden und blieb formal auch dann in Geltung, als G. schon Mitte Dez. infolge des Widerstands der Deutschbürgerlichen und der Ungarn dem ganz neuen Schmerlingschen Kurse Platz machen mußte. G., der noch zweimal (1866/67 und 1871–75) die galiz. Statthalterei führte, war einer der namhaftesten poln. Staatsmänner in der österr. Zeit, dies zweifellos auch im Sinne einer Polonisierung auf Kosten der Ruthenen und der Deutschgalizier, denen die Univ. Lemberg entzogen wurde.

L.: L. Dębicki, Portrety i sylwetki (Porträts und Silhouetten), 1907; B. Łoziński, Szkice z historii Galicji (Skizzen aus der Geschichte Galiziens), 1913; ders., A. G. w pierwszym okresie rządów swoich (A. G. in der ersten Periode seiner Regierung), 1901; St. Kieniemcz, Sprawa włościańska w Galicji w r. 1848 (Die Bauernfrage in Galizien im Jahre 1848), in: Przegląd Hist., 1948; H. Friedjung, Österreich 1848–1860, Bd. 1, 1908; W. Feldman, Stronictwa i programy polit. Galicji (Die Parteien und polit. Programme in Galizien), 1907; M. Bobrzyński-F. Jaworski-E. Milweski, Z dziejów odrodzenla polit. Galicji (Aus der Geschichte der polit. Wiedergeburt Galiziens), 1905; Wielka Encykl. Ilustr.,1928–38; Album biogr. zasł. Polaków, 1901; Wurzbach 5 und 11.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 6, 1957), S. 30
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