Grünfeld Alfred, Pianist und Komponist. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 4. 7. 1852; gest. Wien, 4. 1. 1924 (Ehrengrab: Zentralfriedhof); mos. Sohn von Moriz Grünfeld (1819–1882), Lederhändler, und Regine Grünfeld, geb. Pick (1829–1881), Bruder u. a. von Ludwig Grünfeld (1854–1925), G.s Impresario und Aufnahmeleiter bei der Deutschen Grammophon in Wien, Heinrich Grünfeld (1855–1931), Cellist in Berlin, Sigmund Grünfeld (1856–1899), Korrepetitor an der Wiener Hofoper, und Emma Grünfeld (1858–1927), G.s Sekretärin und erste Biographin. – Bei G. zeigte sich schon früh eine musikalische Begabung, ab 1857 erhielt er Klavierunterricht bei Julius Theodor Höger, dem Direktor der Prager Musikschule. Sein erstes öffentliches Konzert gab er im April 1865 im Prager Konviktsaal. 1865–68 studierte er am Konservatorium in Prag (Musiktheorie: →Joseph Krejčí, Klavier: →Friedrich Smetana) sowie 1868–71 bei Theodor Kullak in Berlin. Er spielte 1869 →Franz von Liszt in Weimar vor, der G.s großes Talent erkannte. 1873 verlegte G. seinen Wohnsitz nach Wien und konzertierte bei der Wiener Weltausstellung. Die Konzerte, die er in der Folge bei musikalischen Soiréen des Wiener Großbürgertums und der Aristokratie (z. B. bei Obersthofmeister →Konstantin Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst) gab, waren für seinen gesellschaftlichen und künstlerischen Aufstieg entscheidend. Er wurde der beliebteste Salon-Pianist der Wiener High Society. →Eduard Hanslick, der u. a. seine glänzende Technik und seinen klangvollen Anschlag schätzte, bezeichnete ihn als liebenswürdig moussierendes Element, als guten Geist der Unterhaltung und Klassiker des Anekdotenvortrags. 1876 gab G. ein Hofkonzert vor Kaiser →Franz Joseph I. und Kaiserin →Elisabeth (1881: Verleihung des Titels k. k. Kammervirtuose). G.s Auftritte im Bösendorfersaal, im Großen Musikvereinssaal und im Konzerthaus zählten zu den bedeutendsten künstlerischen und gesellschaftlichen Ereignissen der Stadt. Neben dem klassischen und romantischen Konzertrepertoire spielte er Werke von Freunden und Zeitgenossen: Grieg, Rubinstein, Ede Poldini, Eduard Schütt, Korngold, →Karl Goldmark und anderen. Er begeisterte mit seinen Schumann-, Schubert- und Brahms-Interpretationen wie auch mit eigenen Werken. Neben solistischen Konzerten absolvierte G. gemeinsame Auftritte u. a. mit den Quartetten Hellmesberger und Rosé, mit seinem Bruder Heinrich, den Wiener Philharmonikern, den Wiener Symphonikern, dem Tonkünstler-Orchester, den Dirigenten →Oskar Nedbal, Rudolf Nilius, →Franz Schalk und Bruno Walter. Ab 1871 unternahm er Konzertreisen durch Europa, nach Russland und 1892 gemeinsam mit Heinrich Grünfeld nach Amerika, wo er mit dem Bostoner Symphonieorchester unter →Arthur Nikisch konzertierte. 1897 erhielt er eine Professur am Wiener Konservatorium. G. komponierte ca. 100 Klavierwerke (Salonmusik, Virtuosenstücke) und Lieder. Sein berühmtestes Salonstück, die „Kleine Serenade“, wurde in der Orchesterfassung bis in die 1930er-Jahre gespielt. Seine Operette „Der Lebemann“ (Uraufführung 1903, Theater an der Wien) hatte Erfolg durch den die Hauptrolle tragenden →Alexander Girardi. Berühmt wurde G. mit seinen Transkriptionen nach Melodien von →Johann Strauß (Sohn). Mit diesem und dessen Frau Adele befreundet, war er oft zu Gast in deren Salon. G. entwickelte seine „Frühlingsstimmenwalzer Transkription“ (Strauß hatte ihm die Titelauflage des Walzers gewidmet) im Lauf der Jahre entsprechend seiner improvisatorischen Praxis. Er war einer der ersten Pianisten, die die jeweils aktuellen Aufnahmetechniken sofort für sich nutzten: 1889 spielte er Wachsrollen für den Edison Phonograph ein, 1899–1914 nahm er Schallplatten auf und ab 1905 wurden nach seinem Spiel Notenrollen für Reproduktionsklavier (Welte-Mignon) und Kunstspielklavier (Phonola) gestanzt. 1913 spielte G. im ersten Johann-Strauß-Film („Johann Strauß an der schönen blauen Donau“) mit. Er war Freimaurer und gehörte der Schlaraffia sowie dem Journalisten- und Schriftstellerverein „Concordia“ an. Sein Teilnachlass befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus, Wien.