Guschelbauer, Edmund; Spitznamen „Alter Drahrer“, „der schöne Edi“, „der blade Edi“ (1839–1912), Volkssänger

Guschelbauer Edmund, Spitznamen „Alter Drahrer“, „der schöne Edi“, „der blade Edi“, Volkssänger. Geb. Wien-Alservorstadt, Niederösterreich (Wien), 16. 10. 1839; gest. Wien, 6. 2. 1912 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn der Handarbeiterin Anna Maria Guschelbauer; ab 1869 mit Katharina Guschelbauer, geb. Geißler (1850–1895), verheiratet, Vater des Natursängers Edmund Guschelbauer. – G. wuchs im Vorort Braunhirschengrund (Wien 15) auf, besuchte die Pfarrschule und erlernte das Vergolderhandwerk. Schon als Lehrling sang er in Wirtshäusern in Neustift und Schottenfeld zu Harmonika und Gitarre. Als Geselle arbeitslos geworden, ging er auf Wanderschaft und hielt sich ein Jahr in Graz auf. Nach seiner Rückkehr nahm er eine dominierende Rolle in kleinen Geselligkeitsvereinen im Westen Wiens ein und wurde von →Josefine Schmer entdeckt, auf deren Empfehlung er 1862 ein Probesingen bei →Karl Kampf im Hernalser Brauhaus mit der Soloszene „Leiden eines Amtspraktikanten“ absolvierte. Nach einem Engagement bei der Elite-Sängerschaft Kampf hatte er 1863 seinen ersten Auftritt als Volkssänger im Hernalser Brauhaus. In der Folge war G. in insgesamt 28 Gesellschaften engagiert, darunter die „Schwarzblattln“, Kraus, Antonie Mansfeld (→Antonie Montag), Anna Kogler und Anna Ulke. 1883 erhielt er die Konzession für eine eigene Gesellschaft und war 1883–88 mit der Volkssängerin Luise Montag assoziiert, mit der er in gemeinsamen Duetten glänzende Erfolge feierte. 1888–92 sang er in der Gesellschaft „Guschelbauer und Müller“ mit dem Schauspieler und Coupletsänger Josef Müller, recte Schlesinger, als Kompagnon. „Kunstreisen“ führten ihn u. a. nach Linz, Salzburg, Innsbruck, Graz, Pressburg, Budapest, Brünn sowie in deutsche Städte. Er trat vor Kronprinz →Rudolf im Brucker Lager (1886) ebenso auf wie vor Erzherzog →Karl Ludwig und den Erzherzogen →Franz Ferdinand und →Otto in Reichenau an der Rax. Seinen durchschlagendsten Erfolg hatte er mit dem Lied vom „Alten Drahrer“, das er ab 1880 insgesamt mehr als 5.000-mal vortrug, so noch 1902 bei einem spektakulären Auftritt zu Pferde im Circus Beketow. Der Begriff im Sinne eines Nachtbummlers ging in die Alltagssprache ein, das Lied wurde zur Hymne des wienerischen Leichtsinns. Als Prototyp des Urwieners „vom alten Schlag“ verkörperte G. die behäbige Liebenswürdigkeit und kleinbürgerliche Gemütlichkeit sowie die Leichtlebigkeit des Wieners. Der stimmgewaltige Tenor verfügte über ein wohllautendes Timbre, einen großen Stimmumfang und pflegte einen wehmütig-rührenden Vortrag. Markant war auch seine Aufmachung: Frack, schwarzes Samtjacket, weit ausgebogener Stehkragen, weiße Handschuhe und „Stößer“ (Fiakerhut), karierte (Pepita-)Hose, Filzpatschen. Als Neuerung ließ G. das Publikum die Refrains der Lieder mitsingen. Sein Repertoire umfasste Gstanzln, Couplets, Duette, Theaterszenen, Entrées und Duoszenen. Er arbeitete mit zahlreichen Komponisten und Textdichtern zusammen, darunter →Johann Sioly („Weil i a alter Drahrer bin“, „I bin a echter Weaner“), →Johann Sioly („O du schöne Adelheid“, „Du guater Himmelvater“, „Mein Liebchen wohnt am Donaustrand“), →Carl Lorens („I bin z’ schwach auf der Brust“, „Die süße Schwiegermutter“). Zu seinen eigenen Kompositionen zählten „Das muss a Frauenzimmer sein“ (Text: Josef Philippi), „Julchen, willst du Tabak rauchen?“ (Text: Gustav Nelling). Ab 1899 nahm er solistisch und im Duett mit Franz Plasser Schallplatten für Gramophone Records auf. Anlässlich des 40-jährigen Volkssänger-Jubiläums 1903 wurde G. taxfrei das Bürgerrecht verliehen. Die Festveranstaltung in der Katharinenhalle des Dreherparks, an der u. a. →Alexander Girardi und →Johanna (Hansi) Niese teilnahmen, fand unter Massenandrang des Publikums statt. 1909 trat G., der nach dem Tod seiner Gattin in bescheidenen Verhältnissen lebte, noch ein- bis zweimal wöchentlich auf und gastierte zwei Wochen in Karlsbad. Zuletzt sang er an Sonn- und Feiertagen in Favoriten. Die im Pratermuseum verwahrten Kassabücher G.s für den Zeitraum 1869–98 belegen Auftritte in rund 550 Wiener Gasthäusern an 8.730 Abenden (die meisten davon entfallen auf Gaudenzdorf, 695-mal sang G. in Hornick’s Universum am Peter). Einkünfte von rund 100.000 fl beweisen seinen überdurchschnittlichen finanziellen Erfolg. Der Nachlass des letzten bedeutenden Wiener Volkssängers befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus.

L.: FB, 25. 9. 1894; Illustrirtes Wiener Extrablatt, NFP, 1. 3. 1903; Oesterreichische Volks-Zeitung, 10. 10. 1909; RP, 15. 10. 1911; Illustrirtes Wiener Extrablatt, 7. 2. 1912 (mit Bild); Neuigkeits-Welt-Blatt, 8. 2. 1912 (mit Bild); Kleines Volksblatt, 9. 12. 1933; NWT, 7. 6. 1934; Czeike (mit Bild); oeml; A. Deutsch-German, Wiener Porträts, 1903, S. 174ff.; H. Cloeter, Geist und Geister aus dem alten Wien, 1922, S. 243 (Bild), 258f.; J. Koller, Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit, 1931, bes. S. 88ff. (mit Bild); A. T. Leitich, Verklungenes Wien, 1942, S. 195ff. (mit Bild); R. Holzer, Wiener Volks-Humor. Harfenisten und Volkssänger, 1943, S. 222ff. (mit Bild); H. Pemmer, Schriften zur Heimatkunde Wiens, ed. H. Kaut – L. Sackmauer, 1969, S. 160; D. Schmutzer, Wienerisch g’redt, 1993, S. 227f.; B. F. Sinhuber, Der Wiener Heurige, 1996, s. Reg. (mit Bild); Bockkeller 9, 2003, Nr. 1, S. 4ff.; Wien. Musikgeschichte 1, ed. E. Th. Fritz – H. Kretschmer, 2006, S. 257ff.
(E. Weber)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 7, 1958), S. 109f.
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