Hammerling Rupert (Hamerling Robert), Dichter. * Kirchberg a. Walde (N.Ö.), 24. 3. 1830; † Graz, 13. 7. 1889. Sohn eines Webers, kam nach Verarmung der Eltern mit der Mutter nach Großschönau, während der Vater in die Fremde ging. Der Großoheim P. A. Haßlinger, Bibliothekar im Stift Zwettl, brachte ihn hier als Sängerknaben unter, wo er 1840–44 die Unterklassen des Gymn. besuchte und in P. H. Traumihler einen verständnisvollen Berater fand. Als die Eltern nach Wien übersiedelten, kam H. in das Schottengymn. und trat 1846 in die philosoph. Stud. Über in seinen frühen dichter. Versuchen schließt er an barocke Tradition und an die Lehrdichtung des 18. Jhs. an. 1848 in der Akadem. Legion, arbeitete er dann im neugegründeten philolog.-hist. Seminar der Univ. mehrere wiss. Arbeiten aus dem Gebiet der klass. Philol. und der Geschichte, und suchte sich nebenbei ein umfassendes Wissen anzueignen. Nach seiner Tätigkeit als Supplent am Theresianum und am Akadem. Gymn. in Wien kam er 1854 an das akadem. Gymn. nach Graz und 1855 nach Triest, wo er bis 1865 als Gymnasiallehrer wirkte, obwohl ihn ein Unterleibsleiden schon 1856 zwang, einen Krankenurlaub zu nehmen, den er in Venedig verbrachte. Seine ersten Veröffentlichungen „Ein Sangesgruß vom Strande der Adria“ (1857) und „Venus im Exil“ (1858) offenbarten bereits den Kern seiner Weltanschauung: Vereinigung von Schönheit und Liebe im Sinne der platon. Kalokagathia. Eine Zusammenfassung seiner Lyrik unter dem Titel „Sinnen und Minnen“ folgte 1859. 1861 erschien „Ein Schwanenlied der Romantik“, das Kritik an der entgötterten Gegenwart übt, 1863 die Kanzone „Germanenzug“, eine dichter. Verherrlichung der Sendung des dt. Volkes. Auch eines seiner Hauptwerke „Ahasver in Rom“ (1865) ist aus Berührung mit der Gegenwart erwachsen: Gegensatz von Lebensgier und Todessehnsucht, Verlust des Ideals als Krankheitszeichen einer Verfallszeit. Der Glanz des Kolorits legte schon den Zeitgenossen den Vergleich mit Makart nahe. Der Darstellung der religiösen Revolution des 16. Jhs. im „König von Sion“ (1868) folgte mit „Danton und Robespierre“ (1870) die allzubreite dramat. Zeichnung der Fanzös. Revolution. Mit dem Festspiel „Teut“ (1872) geißelte H. dt. Vergangenheit und mahnte zur Einigkeit, die „Sieben Todsünden“ (1873), für musikal. Behandlung bestimmt, stehen zwischen Oratorium und Musikdrama, der große geschichtliche Roman „Aspasia“ (1875) spiegelte im Griechentum des 5. Jhs. wieder Verhältnisse dereigenen Zeit (Sparta-Athen: Preußen-Österreich) und griff nochmals das Grundthema H.s auf: mit dem Siege der Ethik in Sokrates ging die Idee der Schönheit und damit das wahre Griechentum zugrunde. Auch die Bearbeitung von Apulejus’ Märchen „Amor und Psyche“ (1882) war eine Frucht von H.s idealer klass. Antike-Auffassung. Das Lustspiel „Lord Luzifer“ (1880) hingegen wandte sich ebenso wie das kom. Epos „Homunkulus“ (1887) in Weiterführung des „Schwanenliedes der Romantik“ gegen die moderne Gesellschaft und gegen die Zeit der Entseelung und des Materialismus. Noch sammelte H. seine Gedichte „Blätter im Winde“ (1886), wozu eine Ergänzung aus seinem Nachlaß erschien („Letzte Grüße aus Stiftinghaus“, 1894). „Prosa, Skizzen, Gedenkblätter und Studien“ hatte er 1884 in zwei Bänden vorgelegt, eine „Neue Folge“ (1891) kam aus dem Nachlaß hinzu. Ein groß angelegtes philosoph. Werk „Die Atomistik des Willens“ erschien als Torso (1891). Seine Selbstbiographie „Stationen meiner Lebenspilgerfahrt“ (1889) wurde abgerundet durch die „Lehrjahre der Liebe“ (1890). Übersetzungen aus dem Italien. („Gedichte Leopardis“, 1866, „Hesper. Früchte“, 1884 und Erzählungen im Anschluß an italien. Quellen „Was man sich in Venedig erzählt“) zeigen H.s Vertrautheit mit dem Süden. Der literar. Erfolg ermöglichte H., 1865 in den Ruhestand zu treten, den er zurückgezogen und siech verlebte. Einzig die Freundschaft mit Klothilde Gstirner („Minona“) war ihm ein Lichtblick. – Seine Dichtungen, seinerzeit begeistert aufgenommen, sind gekennzeichnet durch Rhetorik und Pathos, mit starker Betonung des Allgemein-Ideellen, ja Begrifflichen, so daß die Gefahr der Allegorie droht. Züge von theatral. Übersteigerung, kaum gebändigter Sinnlichkeit, die sich in der Phantasie auslebt, daneben überzarte Seelenschilderung, schroffe Gegensätzlichkeit ohne Ausgleich, erweisen nebst Vermischung der Dichtungsarten H. als typ. Epigonen eines späten Pseudobarock, wozu auch das Dekadente mancher Dichtung stimmt.