Hammerschlag, Trude (Gertrud Nanette) (1899–1930), Pädagogin und Psychologin

Hammerschlag Trude (Gertrud Nanette), Pädagogin und Psychologin. Geb. Wien, 29. 1. 1899; gest. ebd., 11. 6. 1930; mos. Enkelin des Religionslehrers und Bibliothekars der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien Samuel Hammerschlag (geb. Böhmisch Leipa, Böhmen / Česká Lípa, CZ, 4. 1. 1826; gest. Wien, 7. 11. 1904), der u. a. →Sigmund Freud unterrichtete, Tochter von →Albert Hammerschlag und Leontine Hammerschlag, geb. Bardach (geb. Wien, 11. 5. 1866; gest. ebd., 15. 10. 1934). – Nach dem Besuch des Mädchenobergymnasiums des Vereins für erweiterte Frauenbildung studierte H. ab 1917 Psychologie, Pädagogik und Philosophie an der Universität Wien; 1923 Dr. phil. nach Abfassung ihrer Dissertation „Zur Psychologie von Kinderzeichnungen“ bei Karl Bühler, die eine Grundlage ihrer späteren Arbeiten bildete. Daneben legte sie 1920 an der Lehrerinnen-Bildungsanstalt die Reifeprüfung für Volksschulen ab. 1920–22 besuchte H. den Kurs für Ornamentale Formenlehre bei →Franz Čižek an der Kunstgewerbeschule. Bereits 1919/20 engagierte sie sich als Zeichenlehrerin gemeinsam mit dem Reformpädagogen und Psychoanalytiker Siegfried Bernfeld im Projekt „Kindergarten Baumgarten“ für jüdische Kriegswaisen und unterrichtete z. B. die spätere Pionierin der Kunsttherapie Edith Kramer. Ab 1925 hielt H. Kurse für Montessori-Pädagoginnen in Zeichnen und Werkstattarbeit. Um die Kreativität der Kinder entsprechend zu fördern, wurden in den Montessori-Einrichtungen eigene Räume für bildnerisches und handwerkliches Gestalten eingerichtet. 1926 leitete H. einen sechsmonatigen Kurs nach der Montessori-Methode in Mailand, schon zuvor war sie als Assistentin von Maria Montessori in London gewesen. Hauptberuflich war sie Lehrerin an der Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt in Wien. H., die sich – wohl aus Affinität zu ihrem Lehrer Bühler – in ihren Publikationen nie offen zur Psychoanalyse bekannte, gilt als Vermittlerin von pädagogischen Ideen im Sinne der Montessori-Methode im Wien der Zwischenkriegszeit und führte das Kinderzeichnen in den städtischen Kindergärten ein. Anhand der Zeichnungen analysierte sie die innere Beziehung des Kindes zum Gestalteten und förderte dementsprechend mit geeigneten Materialien und Techniken die künstlerische Produktivität. Politisch aktiv, unterrichtete sie bei den Kinderfreunden und wirkte als kunstgewerbliche Mitarbeiterin bei sozialdemokratischen Zeitungen. Hervorzuheben ist auch ihr Beitrag die „Frau im Kunstgewerbe“ im „Handbuch der Frauenarbeit“ (1930). Sie verstarb an den Folgen eines missglückten Experiments mit Spiritus in der Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt in Meidling.

Weitere W.: s. Zwiauer.
L.: AZ, Neuigkeits-Welt-Blatt, NFP (mit Parte im Abendblatt), 13. 6. 1930; Ch. Zwiauer, in: Wissenschafterinnen in und aus Österreich, ed. B. Keintzel – I. Korotin, 2002 (mit Bild und W.); Musik – Kunst – Sprache, ed. H. Ludwig u. a., 2006, S. 73ff. (mit Bild); G. Gaugusch, Wer einmal war. A–K, 2011, S. 1085; biografiA. Lexikon österreichischer Frauen 1, 2016; IKG, UA, beide Wien.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)