Hasner von Artha, Leopold (1818-1891), Rechtswissenschaftler und Ministerpräsident

Hasner von Artha Leopold, Rechtsgelehrter und Staatsmann. * Prag, 15. 3. 1818; † Bad Ischl (O.Ö.), 5. 6. 1891. Sohn des Verwaltungsbeamten, späteren Kammerprokurators und in den Ritterstand erhobenen Hofrates Leopold H., stud. an der Univ. Prag die philosoph. Jahrgänge und von 1836 an Jus, 1842 Dr.jur. 1842–48 Konzeptsbeamter bei der Hofkammerprokuratur in Wien, 1848–49 Redakteur der Prager Zeitung, 1849 ao. Prof. der Rechtsphil. an der Univ. Prag, 1851–63 o. Prof. der Nationalökonomie ebenda. 1861 wurde H. in den böhm. Landtag gewählt und von hier in den Reichsrat entsendet, wo er sich der liberalen Partei anschloß. 1863 Präs. des Unterrichtsrates im Staatsmin., trat aber schon 1865 von dieser Stelle zurück und nahmwieder seine Lehrtätigkeit als o. Prof. der Polit. Ökonomie an der Univ. Wien auf, 1867/68 Rektor. 1867 Herrenhausmitgl. und Min. für Kultus und Unterricht, als solcher schuf er, in Fortführung des Gesetzes über das Verhältnis der Schule zur Kirche und des Schulaufsichtsgesetzes von 1868, das Reichsvolksschulgesetz vom 14. 5. 1869, erwirkte die Errichtung einer med. Fak. an der Univ. Innsbruck und vollzog, auf Grund der entsprechenden Landesgesetze, die Ausgestaltung der Realschulen zu siebenklassigen Mittelschulen. Als das Kabinett infolge der durch die föderalist. Ansprüche mehrerer Nationen entstandenen Schwierigkeiten zurücktrat und auch eine Kabinettsbildung durch Plener mißlang, wurde H. als Ministerpräs. Ende Januar 1870 mit der Neubildung der Regierung betraut; es gelang aber auch ihm nicht, der Schwierigkeiten Herr zu werden, und so demissionierte er schon am 3. April. An den Beratungen des Herrenhauses nahm er jedoch noch bis Ende der 80er Jahre führend teil. Geh. Rat. H. hielt an den liberalen Staats- und Gesellschaftsanschauungen seiner Jugend fest, doch blieb er jedem einseitigen Radikalismus fern; das gleiche galt auch von seiner Stellung zur Frage des Verhältnisses der Schule zur Kirche. Seine Staatsgesinnung war durch eine zentralist. Auffassung vom österr. Staate und durch die Treue zum Kaiserhaus bestimmt. Sein Staatsbegriff war wesentlich durch die Hegelsche Phil. mitgeformt, für seine spätere wiss. Entwicklung war auch L. v. Steins Verwaltungslehre mitbestimmend. In der Nationalökonomie kam er von der klass. engl. Schule her; doch unterschied ihn von dieser die Betonung des sittlichen Momentes für die Wirtschaftsordnung und die Annäherung an soziolog. und hist. Denkrichtungen.

W.: Phil. des Rechts und seiner Geschichte in Grundlinien, 1851; System der Polit. Ökonomie I, 1860; Unterricht und Unterrichtswesen in Österr., einige Beobachtungen, gewidmet den beiden Hohen Häusern des Reichsrates in Wien, 1863; Denkwürdigkeiten, 1892; Motivenbericht H.s und die parlamentar. Kommissionsberr. zum Reichsvolksschulgesetz, in: Zur Fünfzigjahrfeier des Reichsvolksschulgesetzes, hrsg. vom Dt.-österr. Unterrichtsamte, 1919; Aufsätze in den Z. „Der Jurist”, „Z. für österr. Rechtsgelehrsamkeit” und „Vierteljahrsschrift für Rechts- und Staatswiss.”; Artikel in der „Prager Ztg.”, darunter „Frage an Österr.” (gegen die österr. Abgesandten zum Frankfurter Parlament), 1848, und „Zukunft der Staatswiss. in Österr.”, 1849.
L.: A.Pr. vom 5. 6., M.Pr. vom 6. 6. und 29. 9. 1891; Wr.Ztg. vom 14. 3. 1918; Jurist.Bll., Jg. 20, 1891, S. 273; Allg. Juristenztg., Jg. 14, 1891, S. 296; Feierl. Inauguration, 1891/92; G. Bahr, L. v. H., Diss. Wien, 1947; Wurzbach; ADB.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 8, 1958), S. 202f.
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