Haswell, John (1812-1897), Maschinenbautechniker und Lokomotivkonstrukteur

Haswell John, Maschineningenieur und Lokomotivbauer. * Lancefield b. Glasgow (England), 20. 3. 1812; † Wien, 8. 6. 1897. Entstammte einer alten schott. Familie, die ursprünglich de Hessewell hieß. Besuchte die niederen Schulen in Glasgow und stud. dann, einer frühzeitig gezeigten techn. Veranlagung folgend, an der Andersonian Univ. Maschinenbau. 1834 Volontär in der Maschinenfabrik Claud Girdwood & Co. in Glasgow, 1835 Maschinenkonstrukteur bei der Fa. William Fairbairn & Co. in Manchester. Dort wurde er 1837 mit dem Entwurf der Pläne für die maschinelle Ausstattung der in Wien entstandenen Hauptwerkstätte der Wien-Raaber-Bahn und 1838 mit der Aufstellung der von dieser in Auftrag gegebenen Maschinen betraut. Nach Durchführung seiner Aufgabe trat er in den Dienst der Wien-Raaber-Bahn als Leiter ihrer Wr. Hauptwerkstätte, die sich unter seiner sachkundigen Führung rasch zu einer vom In- und Auslande anerkannten Lokomotiv- und Waggonbauanstalt entwickelte und 1841, wenn auch dem Bahnunternehmen angegliedert, als „k. k. Landesbefugte Maschinenfabrik“ selbständig wurde. Da die Wien-Raaber-Bahn (1842) nach Beendigung der Strecke Wien–Wr. Neustadt der Wien–Gloggnitzer Linie die Firmenbezeichnung Wien - Gloggnitzer - Bahn annahm, 1853 mit der Semmeringbahn verbunden in den Staatsbetrieb überging und die k. k. priv. Staatseisenbahnges. bei ihrer 1855 erfolgten Gründung schließlich die k. k. Landesbefugte Maschinenfabrik erwarb, wechselte diese mehrmals den Besitzer, aber 1838–82, von ihrem Entstehen bis zum Übertritt H.s in den Ruhestand, nie den Leiter, dem sie ihren Aufstieg und glänzenden Ruf verdankte. An Stelle der ursprünglich geplanten Hauptwerkstätte sollte nach einer während des Baues getroffenen Entschließung eine Maschinenbauanstalt entstehen. Eine neue Industrie war zu schaffen, die dafür erforderliche werkzeugliche Ergänzung herzustellen, die notwendigen Arbeiter heranzubilden. Für H.s Wissen und Können, seine Genialität und Energie die richtige Aufgabe. Als drei Jahre später (1841) die Strecke Wien-Wr. Neustadt eröffnet wurde, entstammten bereits 3 der 17 benötigten Lokomotiven sowie einige Personen- und Güterwagen der Eigenbauanstalt des Bahnunternehmens. H. betätigte sich in dieser Zeit des Werdens der Eisenbahnen immer mehr als Lokomotivkonstrukteur, und zwar nicht nur für das eigene Bahnunternehmen. Er war dabei bestrebt, die nötigen Leistungssteigerungen auch durch mehrfache Kupplung der Achsen (bis zu vier) zu erreichen. Damit wurde er für die spätere Entwicklung der Gebirgslokomotiven richtungweisend. 1850 beteiligte er sich am Semmeringlokomotiv-Wettbewerb. Wenn auch die von ihm entworfene und ausgeführte, vierfach gekuppelte „Vindobona“ keinen Preis erhielt, so war sie dann doch die am längsten im Betrieb der Semmeringbahn gebliebene Wettbewerbslokomotive. Von seinen Erfindungen und Neubauten – auch zahlreicher Einzelheiten – machte er nie viel Aufhebens, so daß viele seiner vorerst nicht richtig gewerteten Konstruktionen unter anderen Namen später wieder auftauchten. Unter seinen Erfindungen auf dem Gebiet der Werkzeugtechnik ist die der hydraul. Schmiedepresse (1860) besonders hervorzuheben, die es ermöglichte, große und schwierige Schmiedeteile in vollkommenster Weise in Gesenken durch Pressen herzustellen und damit eine Umgestaltung des Lokomotivbaues herbeizuführen. H. ist der Begründer des selbständigen österr. Lokomotivbaues. Seine Erfindung der hydraul. Schmiedepresse, die eine Umwälzung der damaligen Schmiedearbeiten herbeiführte, hat Weltgeltung erlangt.

L.: R. Sanzin, J. H., in: Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie, Bd. 5, 1913; U. Lohse, J. H., in: Männer der Technik, 1925; Bll.für Geschichte der Technik, 1932, H. 1, S. 93 ff.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 8, 1958), S. 206f.
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