Hebbel Christian Friedrich, Dichter. * Wesselburen (Norderdithmarschen, Holstein), 18. 3. 1813; † Wien, 13. 12. 1863. Als Sohn eines Maurers wuchs H. in drückenden Verhältnissen auf. Nach dem Tod des Vaters (1827) wurde er Schreiber beim Kirchspielvogt J. J. Mohr, bei dem er manche Erniedrigung über sich ergehen lassen mußte. Auf Grund seiner ersten Gedichte, deren Veröffentlichung die Schriftstellerin Amalia Schoppe ermöglichte, gelangte er mit ihrer Hilfe über Hamburg, wo es (1835) zu dem belastenden Verhältnis mit Elise Lensing († 1854) kam, nach Heidelberg und München, um sich unter ärmlichsten Umständen an den Univ. weiterzubilden. Nach der Rückreise zu Fuß und einer schweren Erkrankung arbeitete er in Hamburg sein erstes Drama „Judith“, 1840 aufgeführt, aus. 1841 wurde „Genoveva“ und „Der Diamant“ abgeschlossen, 1842 der Druck der ersten Gedichtsmlg. durchgeführt. Eine Vorsprache bei Kg. Christian VIII. von Dänemark, dessen Untertan er war, wegen einer Prof. für Ästhetik an der Univ. Kiel blieb erfolglos, 1843 aber wurde ihm durch ein Reisestipendium ein Aufenthalt in Paris (Sept. 1843—Sept. 1844) sowie in Rom und Neapel (Okt. 1844—Okt. 1845) ermöglicht. Am 4. 11. 1845 kam er auf der Durchreise nach Wien, von wo er nach Hamburg weiterreisen wollte, aber in Wien blieb. H., dessen „Maria Magdalena“ in Paris vollendet und 1844 gedruckt wurde, suchte in Wien vor allem mit dem Burgtheater und mit Schriftstellerkreisen in Fühlung zu kommen (S. Engländer, E. Kuh etc.). Die Bekanntschaft mit der Schauspielerin Christine Enghaus (s. Engehausen) führte am 26. 5. 1846 zur Vermählung. Die Revolution 1848 nahm er mit Skepsis auf. Er führte die Deputation des Schriftstellerver. an (26. Mai—8. Juni), die K. Ferdinand von Innsbruck zurückholen sollte, worüber er einen Bericht in der „Donau-Ztg.“ veröffentlichte. Am 1. 5. 1848 fand die Erstaufführung von „Maria Magdalena“ im Burgtheater statt, 1847 beendete er „Ein Trauerspiel in Sizilien“, im Mai erschien „Der Diamant“, im Oktober wurde „Julia“ fertiggestellt, im November 1848 „Herodes und Mariamne“ vollendet, 1849 „Der Rubin“ geschrieben und im November aufgeführt. Aber H. Laube erwies sich bald als H.s Gegner, weil er ihn für keinen theaterwirksamen Dichter hielt. Vom 15. 11. 1849–15. 3. 1850 leitete H. das Feuilleton der „Österr. Reichsztg.“, 1847 gab er seine „Neuen Gedichte“ heraus, 1850 schrieb er den „Michelangelo“, im Dezember 1851 wurde „Agnes Bernauer“ (März 1852 in München aufgeführt), im Oktober 1854 „Gyges und sein Ring“ vollendet. Im August 1854 erwarb H. ein kleines Landhaus in Ort bei Gmunden, wo er nun meist den Sommer verbrachte. Neben den „Nibelungen“ (1862) entstand das kleine Epos „Mutter und Kind“ (1857), erschienen „Erzählungen und Novellen“ (1855), September 1857 die Gesamtausgabe der „Gedichte“. Größere Reisen führten H. 1850 bis Agram und Hamburg, 1851 nach Berlin und Hamburg, 1852 nach München, im Juli nach Venedig und Mailand, 1853 nach Hamburg und Helgoland, 1854 nach Marienbad, Prag und Dresden, 1857 an den Rhein, nach Frankfurt (Schopenhauer), Weimar, Stuttgart (Mörike), 1858 und 1859 wieder Weimar, 1860 wieder Paris, 1861 zur Aufführung der „Nibelungen“ nach Weimar und im Oktober nach Hamburg und Berlin, 1862 über Paris zur Londoner Ausst. Der Erstaufführung der „Nibelungen“ in Weimar (31. Jänner die 1. und 2. Abt., 16. und 18. Mai die ganze Trilogie) folgte 1863 die Wr. Erstaufführung, 1. und 2. Tl. am 19. Februar. Der große Wurf des „Moloch“ (seit 1849) und der „Demetrius“ (begonnen 1857) blieben unvollendet. H.s schroffe norddt. Art schuf ihm in Wien wenig Freunde (Fürst Fritz Schwarzenberg, Franz v. Dingelstedt), wenn er auch zahlreiche Bekannte gewann (u. a. die Schauspieler Anschütz, Löwe, La Roche, J. Rettich, A. Haizinger, L. Neumann, das Ehepaar Gabillon, die Maler C. Rahl, J. Gust. Dittenberger, den Physiologen E. Brücke, den Juristen J. Glaser, die beiden Schriftsteller S. Engländer und E. Kuh, dem die erste H.-Biographie zu danken ist). Zedlitz, Lenau, A. Grün, noch stärker Bauernfeld und Nestroy, hat er verurteilt, Stifter als Idylliker und Kleinmaler mißverstanden, zu Grillparzer kein Verhältnis gefunden. Wie er den Wienern erschien, läßt sich am besten aus Nestroys „Judith und Holofernes“ ablesen, jener Meisterparodie, über die H. selbst lachen mußte. Obwohl er an Wr. Lebensgewohnheiten und Einrichtungen heftig Kritik übte und den Wienern Leichtlebigkeit und Charakterlosigkeit vorwarf, zogen ihn die Weichheit der Stadt und der Landschaft an und milderten allmählich manche Härte seines Wesens, wozu auch die überaus glückliche Ehe beitrug.