Herbst Eduard, Jurist und Parlamentarier. * Wien, 1. 12. 1820; † Wien, 25. 6. 1892. Sein Vater, der Wr. Advokat Dr. Karl H., entstammte einer Saazer Familie, erst sein Großvater hatte die dt. Form des Namens angenommen. H. stud. an der Univ. Wien Jus und trat nach dem jurist. Absolutorium 1842 als Konzeptspraktikant bei der niederösterr. Kammerprokuratur in den Staatsdienst. 1843 Dr.jur., Supplent bei Hye, durfte er bald auch selbständig Vorlesung halten. 1847 Prof. für Natur- und österr. Kriminalrecht in Lemberg, verlangte und erreichte H. die Bewilligung zum Vortrage in dt. statt latein. Sprache. Seit 1858 wirkte H. als Prof. für Strafrecht und Rechtsphil. an der Univ. Prag. Als Abg. des Landgemeindebezirkes Schluckenau zog er 1861 in den böhm. Landtag und wurde von diesem als Abg. in den Reichsrat entsandt. 1862–68 Prager Stadtverordneter und Mitgl. der Staatsschulden-Kontrollkomm., die ihr Mandat auch während der Sistierung des Parlaments weiter ausübte. Grundsatzfeste Haltung, Freude an schlagfertiger Debatte bis zum „terrorist. Sarkasmus“, selbstbewußte, sachlich begründete Kritik auch an ihm nahestehenden Min. waren Elemente für H.s parlamentar. Betätigung, die eine seltene Rednergabe krönte. Seine berühmteste Rede war wohl die im Prager Landtag gegen das böhm. Staatsrecht nach dem Krieg von 1866. Sie war eine der seinem Temperament gemäßen Abrechnungen, für die er auch bei der Abfassung der Adressen des Abgeordnetenhauses zum gefürchteten Spezialisten wurde. Für das großbürgerliche böhm. Deutschtum wurde H. der ungekrönte „König Eduard”. Nach der Sistierungsperiode lehnte H. infolge seines Gegensatzes zur Innenpolitik Beusts (s. d.) eine Beteiligung an der neuen Regierung ab und entschloß sich erst Ende 1867 zögernd zum Eintritt in das „Bürgermin.“ des Fürsten Carlos Auersperg als Justizmin. (bis April 1870). An der viel umstrittenen Maigesetzgebung des ersten vollkonstitutionellen Jahres 1868, die das Konkordat von 1855 auszuhöhlen bestimmt war, nahm H. in Entwurf und Verteidigung lebhaftesten Anteil. Weitere Errungenschaften seiner Amtsperiode waren die Reform der Preßgesetzgebung und Advokatenordnung, Gesetze über Haftpflicht der Eisenbahnen und Zuständigkeit der Militärgerichte, eine neue Zivilprozeßordnung ging im Reichsrat nicht mehr durch. Sein letztes Eingreifen als Min. der wiederholt umgebildeten liberalen Regierung (damals Hasner) galt in zwiespältiger Weise der sozialen Frage. Arbeiterdemonstrationen beantwortete er mit dem grundsätzlichen Zugeständnis des Koalitionsrechtes, aber auch mit Hochverratsprozeß und anderen Verfolgungen. 1870 wandte er sich der entschiedenen Bekämpfung des neuen föderalist.-slawenfreundlich-konservativen Kurses zu. Das von der Krone angenommene und dann doch nicht verwirklichte böhm. Staatsrecht fand keinen gefährlicheren Gegner als eben H., der hier erfolgreicher als in dem vorausgegangenen ung. Ausgleichsstreit war. Der neuen liberalen Regierung Adolf Auerspergs (s. d.) gehörte H. nicht an, wirkte aber als parlamentar. Führer um so freizügiger. An der 1873 erreichten Einführung der direkten Abgeordnetenwahl in die Reichsvertretung hatte H. großen Anteil. Obwohl stets mehr geachtet als beliebt, schien er, von der Korruptionsflut der Gründerjahre persönlich unberührt, als genauester Kenner des Budgets, der Valuta- und Eisenbahnpolitik, unentbehrlich zu sein. Die Wende in H.s bis dahin glänzender polit. Laufbahn brachte die bosn. Okkupation, die er um so unerbittlicher ablehnte, als ihre milit. Durchführung finanzielle Forderungen bedingte. Als der K. über H.s Vorschlag de Prétis zum Min. Präs. designierte und er auch diesem wegen Bosnien die Gefolgschaft versagte, zog sich mit ihm die ganze liberale Mehrheit die Ungnade des Monarchen zu. Die mit der Berufung der föderalist. ausgerichteten Regierung Taaffe einsetzende und noch bis über seinen Tod hinausreichende antiliberale Periode sah H. wieder als den großen Oppositionellen, wenn er auch schon 1874 seine Parteiführerstelle dem jüngeren Plener überlassen hatte. Bis 1891 im böhm. Landtag und fast bis zum letzten Lebenstage im Parlament, als dessen redlicher Veteran auch vom K. und seinen zahlreichen Gegnern anerkannt, hat H. die mit seinen Auszeichnungen (u. a. Geh. Rat.) verbundene Erhebung in den Ritter- bzw. Freiherrenstand nie in Anspruch genommen.