Hieronimus, Otto (1879–1922), Konstrukteur und Rennfahrer

Hieronimus Otto, Konstrukteur und Rennfahrer. Geb. Köln, Preußen (D), 26. 7. 1879; gest. Graz (Steiermark), 8. 5. 1922 (Unfall; beigesetzt: Dornbacher Friedhof, Wien). H. lernte bereits mit 14 Jahren Autofahren. Nach mehrjähriger Tätigkeit bei Benz in Mannheim kam er mit einem der ersten Benzinwagen 1899 zum Autohändler Arnold Spitz, dem ersten Benz-Vertreter in Wien. Hier war er beim Bau der Spitz-Wagen beteiligt, die zuerst bei Gräf & Stift, dann in der Raaber Waggonfabrik hergestellt wurden. Bereits damals nahm H. an zahlreichen Straßen- und Autorennen teil, von denen er viele gewann. 1907–10 war er Oberingenieur und Chefkonstrukteur bei Laurin & Klement in Jungbunzlau (Mladá Boleslav) und konstruierte hier seinen ersten Flugmotor von 55 PS Leistung (1908/09). Anschließend wechselte er zur süddeutschen Gaggenauer Lastwagenfabrik und kam dann wieder nach Wien. Ab 1910 war er bei der Firma Werner & Pfleiderer in Ottakring (Wien 16) tätig, deren technischer Direktor er 1912 wurde und wo er sich eingehend der Luftfahrt widmete. Die Firma fertigte den Pischof-Autoplan und den Warchalowski-Biplan, der aus dem französischen Farman-Doppeldecker entwickelt worden war. In Wiener Neustadt baute H. für sich ein Flugzeug – einen dem Flieger von Blériot ähnlichen Apparat, den er mit seinem Motor ausrüstete. Im September 1910 erwarb er das Aviatische Diplom Nr. 17 des Österreichischen Aero-Clubs. Bei Werner & Pfleiderer entwickelte er zunächst seinen 4-Zylinder-Flugmotor weiter, der 1911 als Hiero-Motor serienreif in das Bauprogramm der Firma genommen wurde. Mit einem dieser Motoren gelang Adolf Warchalowski Ende Oktober 1911 ein Weltrekord-Dauerflug mit drei Passagieren (46 Minuten 46 Sekunden). Der Flug war mit einem Warchalowski-Doppeldecker durchgeführt worden. Beim Flugmeeting 1914 in Aspern (Wien 22) errang der Lloyd-Doppeldecker mit Oberleutnant Heinrich Bier am Steuer gleich vier Höhenweltrekorde und der Pilot Ernst von Loessl mit einem Albatros-Doppeldecker zwei Höhenweltrekorde. Durch Hinzufügen zweier Zylinder entstand alsbald der 145-PS-Motor mit Kolben und Zylindern aus Stahl und Kühlmänteln aus Nickel- oder Messingblech. Die Ventilsteuerung erfolgte über Stoßstangen. Die dritte Generation der Flugmotoren hatte eine oben liegende Nockenwelle, der Kolben war aus Aluminium und die Kühlmäntel aus Eisenblech. Um den Bedarf an Hiero-Motoren decken zu können, gründeten die Direktoren der Firma Werner & Pfleiderer und die Brüder Warchalowski Ende 1914 die Oesterreichischen Industriewerke Warchalowski, Eissler & Co. AG (Wien 16). Der H 230, der 1916 in Serie ging, hatte vier Ventile pro Zylinder, die Gehäuse bestanden aus Aluminium. Lizenznehmer für Hiero-Motoren waren während des 1. Weltkriegs die Firmen Martha (Arad) und ab Ende 1916 Ganz-Fiat (Budapest), die Maschinenbau AG, vormals Breitfeld, Danek & Co. (Prag) ab 1915, die Österreichischen Fiat-Werke (Wien) ab 1915 und die Automobilfabrik Loeb & Co. GmbH. (Berlin-Charlottenburg) ab 1917. Vor dem Krieg waren zunächst Serien der von der Firma Lohner gebauten Etrich-Tauben und Pfeilflieger (Gebirgsapparat) mit 85-PS-Hiero-Motoren ausgerüstet worden. Von den in der Luftschiffertruppe und der Kriegsmarine eingesetzten Flugzeugen und Flugbooten wurden folgende wichtige Serien mit Hiero-Motoren ausgestattet: Phönix C I, Phönix D I, D II, D IIa, Albatros-Knoller B I, Hansa-Brandenburg – verschiedene Serien, Lloyd C I, C II, Ufag C I, Hansa-Brandenburg B I, W.K.F. D I.; Seeflugzeuge: Lohner Type M, Mn, Lohner teilweise Type T, Tl, Großflugboot Type G (G 1 bis G 3), Hansa-Brandenburg Seeflugzeug Type K, Hansa-Brandenburg CC, W.18 und das Marinejagdflugzeug Phönix D I, D IIa, D III. Nach Ende des 1. Weltkriegs wechselte H. zur Österreichischen Waffenfabrik in Steyr. Er verunglückte während einer Trainingsfahrt zum Grazer Ries-Rennen und starb wenige Stunden nach dem Unfall in einem Grazer Krankenhaus.

L.: NFP, 10. (m. Parte), Sport-Tagblatt, 12. 5. 1922; Flug- und Motor-Technik 4, 1910, S. 725; Österreichische Flug-Zeitschrift, 1912, S. 266; Österreichischer Motor – Der Flug 8, 1921, Nr. 21/22, S. 29, 9, 1922, Nr. 6, S. 9f. (m. B.); H. Seper, Die Brüder Gräf, 1991, s. Reg. (m. B.); R. Keimel, Luftfahrzeugbau in Österreich, 2003, s. Reg. (m. B.); M. Pfundner, Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion, 2007, s. Reg. (m. B.).
(R. Keimel)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)