Hölzel, Adolf Richard (1853–1934), Maler, Zeichner und Pädagoge

Hölzel Adolf Richard, Maler, Zeichner und Pädagoge. Geb. Olmütz, Mähren (Olomouc, CZ), 13. 5. 1853; gest. Stuttgart, Deutsches Reich (D), 17. 10. 1934. Sohn von →Eduard Hölzel und Hedwig Hölzel, geb. Niemann; ab 1882 verheiratet mit Karoline Emilie von Karlowa. – Nach dem Gymnasium absolvierte H. ab 1868 eine Schriftsetzer-Lehre beim Verlag Andreas Perthes in Gotha. 1872 begann er ein Studium als außerordentlicher Schüler an der Wiener Akademie der bildenden Künste (unterbrochen vom Dienst als Einjährig-Freiwilliger 1873), das er 1874 bei Carl Wurzinger, →August Eisenmenger und →Karl Mayer fortsetzte. 1876 wechselte er an die Akademie nach München und studierte dort bis zu seinem Abschluss 1882 vorerst bei Ferdinand Barth und anschließend bei Wilhelm Diez. 1887 stellte er in Frankfurt sein Gemälde eines „Schachspielers“ aus und reiste im selben Jahr gemeinsam mit den Studienkollegen Artur Langhammer und →Frigyes Strobentz nach Paris. Nach der Rückkehr übersiedelte er nach Dachau, wo er sich der moderneren Strömung, dem Realismus Uhde’scher Prägung, zuwandte. H. selbst gründete 1887 in Dachau seine sehr erfolgreiche Malschule, die Schüler u. a. aus Deutschland, Skandinavien, Russland, den USA und Österreich-Ungarn, z. B. →Emilie Mediz(-Pelikan), anlockte. Sie avancierte zu einem Zentrum des künstlerischen Austauschs, in dem sich zahlreiche Künstlerkollegen (→Gustav Klimt, →Karl Moll oder Franz Marc) und Kunstinteressierte (Heinrich Wölfflin, Arthur Roessler) einfanden. 1891 wurde H. für „Die Frau des Zimmermanns“ auf der Münchner Kunstausstellung mit der kleinen goldenen Medaille ausgezeichnet. Im Austausch mit Ludwig Dill und Langhammer konzipierte H. eine flächenhafte Formauffassung mit einer starken Silhouettenbildung und Hell-Dunkel-Kontrasten wie in „Silberpappeln“ (1900, Österreichische Galerie Belvedere, Wien). Aus dem Schreibduktus entwickelte er um 1898 ungegenständliche Kompositionen, die Roessler in „Neu-Dachau. Ludwig Dill, Adolf Hölzel, Arthur Langhammer“ 1905 erstmals abbildete. H., der 1897 zu den Gründungsmitgliedern der Wiener Secession zählte und als Teil der Klimt-Gruppe 1905 aus dieser Institution austrat, veröffentlichte seine Erkenntnisse in dem Aufsatz „Über Formen und Massenvertheilung im Bilde“ (1901) in deren Zeitschrift „Ver Sacrum“. Diese programmatische Formulierung der Wiener Stil- bzw. Formkunst beeinflusste viele Künstler, wie etwa Wassily Kandinsky, und floss durch ein Mappenwerk in den Zeichenunterricht an den Volks- und Bürgerschulen der Monarchie ein. 1904 folgte die Publikation seines Aufsatzes „Über künstlerische Ausdrucksmittel und deren Verhältnis zu Natur und Bild“ in „Die Kunst für Alle“. In Dachau entstanden 1903–05 Gemälde, in denen sich eine Dominanz kubischer Flächenkompositionen gegenüber räumlichen Qualitäten abzeichnet. In diesem Zusammenhang ist auch seine 1905 entstandene „Komposition in Rot“ (Sprengel Museum, Hannover) zu sehen, die paradigmatisch für die Formkunst steht. Da H. seine Werke komponiert – hierin wesensverwandt mit der symphonischen Musik –, benötigen seine Arbeiten keinen inhaltlichen Bezug. Sie können aus reinen Farb- und Formklängen bestehen. Dennoch schließt die Komposition aus Formen die Gegenständlichkeit nicht aus. Hatte er noch 1900 eine Berufung an die Grazer Zeichenakademie abgelehnt, nahm er 1905 den Ruf als Nachfolger von Leopold von Kalckreuth an die Königlich Württembergische Akademie der Bildenden Künste nach Stuttgart an, wo Ida Kerkovius, Hans Brühlmann, Johannes Itten, Oskar Schlemmer, Otto Meyer-Amden, Willi Baumeister, Hermann Stenner und Alfred Graf Wickenburg zu seinem Schülerkreis zählten. Im Austausch mit seinen Studenten entwickelte H. sein Werk stetig weiter, wobei seine künstlerische Eigenart von seinem Credo der „autochthonen Kraft der künstlerischen Mittel“ geprägt war. Diesem folgend überwand er bis ans Ende seines Lebens künstlerische Konventionen, beispielsweise indem er mit der Collage experimentierte wie in „Gebet der Kinder“ (1916, Sprengel Museum), den Möglichkeiten rein intuitiver Malerei in „Komposition für ein Glasfenster“ (Kunstmuseum Stuttgart) oder einer rein formalen Kompositionsweise wie in „Fuge“ (1916, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg) folgte. Mit der 1916/17 in Freiburg im Breisgau und Frankfurt am Main stattfindenden Schau „Hölzel und sein Kreis“ verwirklichte er, gemeinsam mit seinen Schülern, das Konzept einer dem künstlerischen Experiment zugewandten Ausstellung. 1916 wurde er für zwei Studienjahre zum Direktor der Akademie gewählt, 1919 trat er in den Ruhestand. Während der Kriegsjahre entstanden seine monumentalen Glasfenster für die Firma Bahlsen in Hannover, die gegenstandsfrei, rein farbharmonisch, komponiert sind. 1918 erfolgte in der Kestner Gesellschaft in Hannover eine große Retrospektive seines Werks, die komplett durch den Eigentümer der Pelikan Werke angekauft wurde. In den 1920er-Jahren wurde das Pastell mit seiner farblichen Intensität und seinen zeichnerischen Möglichkeiten zu H.s bevorzugter Technik: Es unterstützte sein prozessuales Vorgehen, das sich keinen Gesetzmäßigkeiten und starren Regeln fügt. Dementsprechend bezeichnete H. seine Pastelle selbst schlicht als Kompositionen. In der Folge entwarf er monumentale Glasfenster u. a. für das Stuttgarter Rathaus (1926–28) oder die Pelikan Werke (1932/33) in Hannover. H. zählte 1892 zu den Gründungsmitgliedern der Münchner Secession. Sein schriftlicher Nachlass befindet sich heute geteilt in der Staatsgalerie Stuttgart und der Adolf Hölzel-Stiftung, Stuttgart.

Weitere W.: s. Venzmer.
L.: AKL; NDB; Thieme–Becker; Vollmer; W. Venzmer, A. H., 1982 (mit W.); K. v. Maur, Der verkannte Revolutionär A. H. Werk und Wirkung, 2003; A. Klee, A. H. und die Wiener Secession, 2006; Kaleidoskop Hoelzel in der Avantgarde, Stuttgart – Regensburg 2009 (Kat.); Formalisierung der Landschaft, ed. A. Husslein-Arco – A. Klee, Wien 2013 (Kat.); K. Huys, A. H. und die Metamorphose der Landschaft, 2013; Künstlerkolonie Dachau. Blütezeit von 1880 bis 1920, red. E.-C. Berger, 2013, bes. S. 164ff.; A. Klee, in: Wiener Geschichtsblätter 69, 2014, S. 305ff.; Vision Farbe. A. H. und die Moderne, ed. G. Leistner – Ch. Wagner, 2015; H. und sein Kreis. Im Laboratorium der Moderne, ed. U. Röthke, Freiburg im Breisgau 2017 (Kat.); Farbharmonie als Ziel, Schweinfurt 2019 (Kat.); ABK, Wien.
(A. Klee)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 9, 1959), S. 359
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