Hofmann, Martha; Ps. Melitta Holl (1895–1975), Schriftstellerin

Hofmann Martha, Ps. Melitta Holl, Schriftstellerin. Geb. Wien, 29. 8. 1895; gest. ebd., 9. 11. 1975; mos. Tochter des Holzgroßhändlers und Herausgebers der „Continentalen Holzzeitung“ Edmund Hofmann (geb. Unterlimbach, Ungarn / Lendava, SLO, 10. 7. 1849; gest. Wien, 27. 2. 1923) und seiner Frau Henriette Hofmann, geb. Hock (geb. Wien, 14. 8. 1857; gest. ebd., 28. 1. 1941), Schwester der Kunsthistorikerin Else Hofmann (geb. Wien, 27. 11. 1893; gest. New York, USA, 30. 6. 1960), der Ärztin und Vorsitzenden der Organisation der Wiener Ärztinnen Hedwig Fischer-Hofmann (geb. Wien, 14. 4. 1888) und des Malers Robert Hofmann (geb. Wien, 7. 8. 1889; gest. 1987), der 1939 nach Großbritannien emigrierte. – H. besuchte das Lyzeum des Beamtentöchtervereins und die Schulanstalt von →Eugenie Schwarzwald in Wien, wo sie 1914 maturierte. Während des 1. Weltkriegs als Krankenpflegerin tätig, studierte sie 1915–20 klassische Philologie, Germanistik und Archäologie in Wien (WS 1914/15, 1919/20), Berlin (SS 1916, 1917–19), Leipzig (WS 1916/17) und Heidelberg (SS 1919). 1920 promovierte sie mit der Dissertation „De fabula Platonica“ und war als Gastlehrerin an der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim tätig. Nach der Lehramtsprüfung für Latein und Griechisch 1921 unterrichtete H. an dem von Oberrabbiner Zwi Perez Chajes (→Hirsch Perez Chajes) gegründeten und nach seinem Tod nach ihm benannten jüdischen Gymnasium in Wien Deutsch, Latein und Griechisch. 1925 gab sie zusammen mit →(Yomtow) Ludwig Bató den „Jüdischen Almanach auf das Jahr 5686 (1925–1926)“ heraus. In den 1920er-Jahren war H. in Wien Vizepräsidentin und Leiterin der Kulturarbeit der WIZO (Women’s International Zionist Organization). Bei einem Besuch in Palästina 1927, dem 1935 ein zweiter folgte, verlor sie durch einen Autounfall ihren rechten Arm. In Wien unterrichtete sie danach außerdem an dem von Anitta Müller-Cohen gegründeten Jüdischen Zentrum und engagierte sich in der jüdischen sozialistischen Arbeiterorganisation Poale Zion. 1930 arbeitete sie ein Jahr als Generalsekretärin der WIZO in London und gab im selben Jahr die Festschrift „Zehn Jahre WIZO“ in Wien heraus. H., die Mitglied im Bund junger Autoren Österreichs war, veröffentlichte Artikel und Gedichte in der „Wiener Morgenzeitung“, der „Neuen Freien Presse“, der „Jüdischen Rundschau“ (Berlin), in „Die Stimme“ (Wien), „Menorah“ und „Der Jude“. 1932 gewann sie einen Kurzgeschichtenpreis des „Neuen Wiener Journals“. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurde H. aus dem Schuldienst entlassen, flüchtete nach London und 1939 nach Palästina, wo sie als Sprachlehrerin arbeitete und in Zeitungen publizierte. In Palästina hatte sie Kontakte mit dem Kritiker Natan Bistritzki, mit Salman Rubaschow, als Salman Schasar der dritte Staatspräsident Israels, und dem Dichter Shin Shalom. Im November 1946 ging sie nach Genf, wo sie ein Dolmetschstudium absolvierte und sich mit dem Dichter Lajser Ajchenrand anfreundete. Nach ihrer Rückkehr nach Wien 1949 engagierte sie sich im Bildungsreferat des Österreichischen Gewerkschaftsbunds und publizierte in der Zeitschrift „Der Bildungsfunktionär“. 1949–57 unterrichtete sie neuerlich als Mittelschulprofessorin in Wien. H. war Vorstandsmitglied des Österreichischen P.E.N.-Clubs sowie des Österreichischen Schriftstellerverbands und eng befreundet mit Rudolf Felmayer und Ernst Waldinger. Sie engagierte sich in der Kulturarbeit der Israelitischen Kultusgemeinde und publizierte regelmäßig in deren Zeitschrift „Die Gemeinde“. 1967 veröffentlichte sie in dem von Josef Fraenkel in London herausgegebenen Buch „The Jews of Austria“ den autobiographischen Aufsatz „Aus der Mappe meiner Urgroßmutter … (Erinnerungen und Überlieferungen)“. Obwohl es von H., wie sie selbst schrieb, noch zahlreiche unveröffentlichte Werke gab, blieben diese nicht in ihrem Teilnachlass in der Österreichischen Nationalbibliothek, dessen wichtigster Bestandteil ein Tagebuch aus Palästina aus dem Jahr 1927 ist, erhalten. H. gewann 1953 den literarischen Chagall-Wettbewerb der Wiener Albertina. 1954 erhielt sie den Georg-Trakl-Preis für Lyrik und 1963 den Theodor-Körner-Preis für Literatur. 1970 wurde sie mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.

Weitere W.: Das blaue Zelt, 1934; Dinah und der Dichter, 1942; Die Sternenspur, 1948; Persephone und sieben Kapitel vom Sterben der Kreatur, 1950; Wandelsterne, 1954; Nomadenzüge. Zyklische Dichtungen, 1957; Das Morgenland liegt gegen Abend, 1962; Konstellationen. Ausgewählte Essays (1945–1965), 1966; Theodor Herzl – Werden und Weg, 1966; Begegnungen, helldunkel, 1969.
L.: Bolbecher–Kaiser; P. Herz, in: Die Gemeinde, 22. 9. 1965; ders., ebd., 30. 12. 1975; G. Isolani, in: Allgemeine jüdische Wochenzeitung 32, Nr. 10, 1977 S. 7; E. Adunka, in: Literatur und Kritik, 2001, H. 301–302, S. 64ff.; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren 12, 2008; Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur, 2. aktualisierte und erweiterte Aufl. 2012; D. J. Hecht, in: Jewish Intellectual Women in Central Europe 1860–2000, ed. J. Szapor u. a., 2012, S. 261ff.; S. Niederacher, Eigentum und Geschlecht. Jüdische Unternehmerfamilien in Wien (1900–1960), 2012, S. 58ff.; IKG, UA, beide Wien.
(E. Adunka)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)

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H.s Grabmal auf dem Wiener Zentralfriedhof
Detailansicht des Grabmals von H. auf dem Wiener Zentralfriedhof