Horvát (Horvath), Boldizsár (Balthasar) (1822–1898), Politiker und Jurist

Horvát (Horvath) Boldizsár (Balthasar), Politiker und Jurist. Geb. Steinamanger (Szombathely, H), 1. 1. 1822; gest. Budapest (H), 28. 10. 1898; röm.-kath. Sohn eines Handwerkers, Schwager von →Joseph Baron Eötvös und Schwiegervater von →Roland Baron Eötvös. ‒ H. besuchte Schulen in seiner Geburtsstadt und in Ödenburg und studierte anschließend an der Rechtsakademie in Raab. 1842 – nach Absolvierung einer Referendarzeit – wurde er Notar bei der königlichen Tafel in Pest und legte im Folgejahr die Advokatenprüfung ab. Nach kurzer Anwaltstätigkeit avancierte er zum Obernotar in Steinamanger. Durch seine in Budapester Blättern veröffentlichten liberal gesinnten Artikel erwarb er sich die Anerkennung →Franz von Deáks, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Nach der Märzrevolution war H. Abgeordneter auf dem Landtag von 1848/49. 1849 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, wurde er 1850 amnestiert, woraufhin er in seiner Geburtsstadt als Anwalt und später als Rechtsberater der Familie Batthyány tätig war. In der Periode des Neoabsolutismus entwickelte sich H. zum konsequenten Anhänger des Gedankens einer nationalen Unabhängigkeit Ungarns auf Basis der Aprilgesetze von 1848 sowie einer bürgerlichen Umgestaltung des Landes. Er gehörte zu den engsten Mitarbeitern Deáks und nahm als führende Persönlichkeit von dessen Partei Einfluss auf alle wichtigen politischen Initiativen der 1860er-Jahre, die letztendlich zum Ausgleich sowie zur Wiederherstellung der ungarischen Staatlichkeit führten. Als aktiver Teilnehmer an der Judexkurialkonferenz von 1860 sowie als Abgeordneter zum Landtag von 1861 setzte er sich für Rechtssicherheit und die von bürgerlicher Seite geforderte Neugestaltung des Privatrechts ein. In der Folge avancierte H. nach Absolvierung einer längeren Auslandsreise zum führenden Rechtsberater der neugegründeten Ungarischen Bodenkreditanstalt. Er nahm auch am Landtag von 1865–67 teil und fungierte als Mitglied von Ausschüssen und Delegationen, die die Basis für den Ausgleich schufen und grundlegende Gesetze wie jene zur Emanzipation der Juden entwarfen. Als erster bürgerlicher Minister übernahm H. 1867 in der Regierung von →Julius Graf Andrássy d. Ä. das Justizressort. In seiner vierjährigen Amtszeit bereitete er mithilfe sorgsam ausgewählter Mitarbeiter mehr als 100 Gesetzesentwürfe vor und legte damit die Fundamente für eine neue bürgerliche Rechtsordnung. Die Trennung von Justiz und Verwaltung, die Unabhängigkeit der Richter, gekoppelt mit Regelungen, die die richterliche Willkür eindämmten, die organisatorische und personelle Erneuerung der königlichen Kurie, die Modernisierung des Zivilverfahrens sowie die Beseitigung von Relikten der (1853 abgeschafften) Grundherrschaft und vieles mehr war in wesentlichem Maß ihm zu verdanken. Nach seinem Rücktritt 1871 fungierte H. bis 1877 als Direktor der Ungarischen Allgemeinen Bodenkredit-Aktiengesellschaft, später als Zwangsverwalter des Vermögens der Familie Esterházy in Eisenstadt. Daneben saß er bis 1892 als Abgeordneter im Parlament. Neben zahlreichen Fachpublikationen veröffentlichte H. auch Gedichte. Er wurde 1861 korrespondierendes und 1868 Ehrenmitglied der Magyar Tudományos Akadémia, 1896 erhielt er das Ehrendoktorat der juridischen Fakultät der Universität Budapest.

W. (s. auch Szinnyei): Az osztrák törvénykezési reform befolyása erkölcsi és anyagi életünkre, 1864; Irányelvek közjogi legfőbb kérdéseink fölött, 1865; Municipium és parlamentarismus, 1866; A bírói hatalomról szóló törvényjavaslat megvitatása alkalmával tartott beszéde, 1869; A köztörvényhatóságok rendezéséről in Budapesti Szemle, 1886; Összes költeményei, 1927.
L.: M. Életr. Lex.; Szinnyei (mit W.); L. Kun, A magyar igazságügyi kormányzat H. B.-tól Pauler Tivadarig, 1880; L. Tóth, Emlékbeszéd H. B. r. tagról, 1900; A. Berzeviczy, H. B. emlékezete, 1904; P. Horváth, in: Magyar Jog, 1988, Nr. 2, S. 181ff.; B. Mezey, in: Jogtudományi Közlöny, 1989, Nr. 12, S. 638ff.; B. Mezey, in: Jogtörténeti Szemle, 2007, Nr. 1, S. 19ff. (mit Bild).
(B. Szabó)  
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)