Hostinský Otakar, Ästhetiker und Musikhistoriker. Geb. Martinowes, Böhmen (Martiněves, CZ), 2. 1. 1847; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 19. 1. 1910. H. begann nach der Matura (1865) ein Jus-Studium, wechselte aber bereits 1866 an die philosophische Fakultät der Universität Prag (Dr. phil. 1869). Während eines Aufenthalts in München 1867/68, wo er Philosophie bei Robert Volkmann studierte, lernte er →Friedrich Smetana kennen, mit dem er das Interesse am Werk Richard Wagners teilte. Als Musikreferent schrieb H. 1869–74 für die Musikzeitschriften „Dalibor“ und „Hudební listy“, für die Zeitschriften „Květy“, „Pokrok“, „Lumír“ und für die Prager deutsche Tageszeitung „Politik“, nach einer Pause dann 1881–82 für die „Národní listy“. 1874 war er Hauslehrer in der Familie Reisky von Dubnitz auf Schloss Wilimow in Böhmen, 1875–76 bei →Sigmund Graf von Thun und Hohenstein in Salzburg. Ende 1876 hielt H. sich in München auf, wo er seine Habilitationsschrift „Das Musikalisch-Schöne und das Gesammtkunstwerk vom Standpuncte der formalen Aesthetik“ (eine Polemik gegen →Eduard Hanslick) vollendete (Druck 1877). Ein vom Ministerium für Cultus und Unterricht erteiltes Stipendium ermöglichte ihm 1877 einen Aufenthalt in Italien. Im selben Jahr habilitierte er sich an der deutschen Universität Prag für Musikgeschichte und -ästhetik. 1883 wurde er ao., 1892 o. Professor an der tschechischen Universität, an der er die Basis für die Fächer Musikwissenschaft und Theaterwissenschaft schuf. Ab 1877 las er Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste in Prag, 1882–94 Musikgeschichte am Prager Konservatorium bzw. an der Kunstgewerbeschule und 1892–94 Theatergeschichte an einer beim Nationaltheater Prag eröffneten dramatischen Schule. 1897/98 war er Dekan der philosophischen Fakultät. H. war Mitglied des Vereins Umělecká beseda, Mitbegründer der Königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (1879), ab 1893 ao. und ab 1902 o. Mitglied der böhmischen Kaiser Franz-Joseph-Akademie der Wissenschaften, Literatur und Kunst. Als Ästhetiker ging er von Johann Friedrich Herbart, →Josef Durdík und der formalen Ästhetik Hanslicks aus, die Grundlage des Urteils stellte für ihn die ästhetische Erfahrung dar. Im Unterschied zu Hanslick war H. jedoch Vertreter der Programmmusik und der Ideen eines modernen Musikdramas im Sinne Wagners. Als Fortsetzung von dessen Ideen sah er als weitere Entwicklung der Verbindung des Wort-Ton-Verhältnisses das Melodrama, wie es →Zdeněk Fibich und Jaroslav Vrchlický (→Emil Frida) in ihrer Trilogie „Hippodamia“ verwirklicht hatten. H. widmete sich auch der Frage der richtigen Deklamation der gesungenen tschechischen Sprache. Als Anhänger und Propagator Smetanas spielte er eine wesentliche Rolle in den Polemiken der 1870er- und 1880er-Jahre um die Ausrichtung der tschechischen nationalen Oper. Bedeutend war H.s Einfluss auf die Entwicklung der tschechischen Fachkritik. Er schrieb das Libretto zu den Opern „Popelka“ für Josef Richard Rozkošný (1885) und „Nevěsta messinská“ nach Schiller für Fibich (1885) und widmete sich auch der Folkloristik (stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für die Tschechoslawische Volkskunde-Ausstellung 1895, Mitglied des Arbeitsausschusses des Projekts Das Volkslied in Österreich, 1904).