Hueber, Anton (1861–1935), Gewerkschafter

Hueber Anton, Gewerkschafter. Geb. Pilsen, Böhmen (Plzeň, CZ), 26. 9. 1861; gest. Wien, 9. 7. 1935; röm.-kath. Sohn des Arbeiters Johann Hueber (gest. 1863) und der Antonia Hueber. – Nach dem Tod des Vaters zog die Familie zuerst nach Wien, dann nach Brünn (Brno), wo H. die Volksschule absolvierte, der Besuch der Bürgerschule blieb ihm aus finanziellen Gründen versagt. Nach neuerlicher Übersiedlung nach Wien wurde H. mit 14 Jahren Drechslerlehrling in der Galanteriedrechslerei Janovsky in Wien 7 und besuchte die Fachschule der Drechsler in der Mollardgasse. In seiner kargen Freizeit beschäftigte er sich mit anarchistischer Literatur und näherte sich, fasziniert von der Person →Viktor Adlers, sukzessive der Sozialdemokratie. 1890 wurde er zum österreichisch-ungarischen Drechslertag delegiert. 1891 gründete er, unterstützt von Adler, den Fachverein der Holzdrechsler und wurde dessen Obmann sowie 1892 Gehilfenobmann der Drechsler Wiens, ferner 1893 Obmann der Drechslerkrankenkasse. Auf dem Internationalen Drechslertag 1893 in Wien wurde er ins Präsidium entsandt. 1894 nahm er als Delegierter und Schriftführer am ersten Österreichischen Gewerkschaftskongress teil und übernahm Anfang Jänner 1895 zuerst provisorisch, später definitiv die Stelle des Sekretärs der Gewerkschaftskommission. H. führte eine Reihe großer Lohnkämpfe und Streiks an, so etwa 1899 den zwei Monate dauernden Streik der Brünner Textilarbeiterinnen und -arbeiter. Nach 1894 setzte eine Gründungswelle neuer Gewerkschaftsorganisationen ein, die nach und nach zu Berufsverbänden umgestaltet wurden. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf das Prinzip der Industriegruppenorganisation, dieses konnte aber auch in der 1. Republik nicht restlos verwirklicht werden. Als glühender Anhänger einer straffen und einheitlichen Gewerkschaftsorganisation, v. a. aber als entschiedener Gegner von nationalen Absonderungsbestrebungen führte er in der Monarchie einen hartnäckigen, jedoch letztlich erfolglosen Kampf gegen den „tschechischen Separatismus“ innerhalb der Gewerkschaftsbewegung. Obwohl in erster Linie Gewerkschafter, war H. auch mit der Sozialdemokratischen Partei und der Genossenschaftsbewegung eng verbunden. In der internationalen Gewerkschaftsbewegung war er Mitglied im Verwaltungsrat des Internationalen Arbeiterrats in Genf. Während des 1. Weltkriegs legte er das Hauptgewicht seiner Tätigkeit auf die Erhaltung der gewerkschaftlichen Organisation und bemühte sich um internationale Kontakte, insbesondere zu französischen und italienischen Gewerkschaften. 1919–20 war er Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920–30 Abgeordneter zum Nationalrat, wobei er in die Ausarbeitung der wichtigsten sozialpolitischen Gesetze, wie des Betriebsrätegesetzes 1919, involviert war. 1928 war er entscheidend an der Gründung des Bundes der Freien Gewerkschaften Österreichs beteiligt, der ihn zu seinem Vorsitzenden wählte. 1931 zog er sich aus der aktiven Gewerkschaftsarbeit zurück, blieb aber bis zur Auflösung des Bundes der Freien Gewerkschaften 1934 deren Ehrenvorsitzender. 1930–32 war H. Mitglied des Bundesrats. Nach ihm wurden das ehemalige Gewerkschaftsschulungsheim Anton-Hueber-Haus in Hadersdorf-Weidlingau (Wien 14) und der Hueberhof in Wien 10 benannt.

L.: Bourdet; Czeike (m. B.); NÖB 14, S. 122–129 (m. B.); Arbeit und Wirtschaft 9, 1931, Sp. 705–710; F. Klenner, Die österreichischen Gewerkschaften 2, 1953, s. Reg., bes. S. 1328–1335; ders., in: Von unten auf. Der Aufstieg vom Sklaven zum freien Arbeiter. Mit einer Würdigung der Persönlichkeit A. H.s., 1953, S. 7–11; K. Blecha, in: Werk und Widerhall, ed. N. Leser, 1964, S. 213–219 (m. B.); A. Magaziner, Die Wegbereiter, 1975, S. 32–35 (m. B.); H. Rappel, A. H. (1861–1935). Leben und Werk, phil. Diss. Wien, 1975; 100 Jahre Gewerkschaftsbewegung in Österreich, 1993, S. 12f. (m. B.); J. Evers, Internationale Gewerkschaftsarbeit in der Habsburgermonarchie, 2010, passim.
(S. Lichtenberger)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)