Inama von Sternegg (von Inama-Sternegg) Karl-Theodor, Statistiker, Wirtschaftshistoriker und Politiker. Geb. Augsburg, Bayern (D), 20. 1. 1843; gest. Innsbruck (Tirol), 28. 11. 1908; röm.-kath. I. entstammte einer am Trentiner Nonsberg ansässigen Familie und war der älteste Sohn des königlich-bayerischen Stadtgerichtsassessors Dr. Johann Nepomuk Inama von Sternegg (1807–1868) und von dessen Frau Emilie, geb. von Aschenbrier (1812–1843), Vater der Malerin →Fanny Inama von Sternegg, des Verwaltungsbeamten →Johann Paul Inama von Sternegg sowie des Heraldikers und Genealogen →Karl Inama von Sternegg; ab 1869 verheiratet mit Henriette Inama von Sternegg, geb. Aigner von Aigenhofen (geb. 1849; gest. Innsbruck, 25. 11. 1917). – I. besuchte 1852–60 das Gymnasium in Neuburg an der Donau, Amberg und München. Er studierte ab 1860 Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geschichte an der Universität München und wurde dort 1865 mit einer Preisarbeit über „Die wirtschaftlichen Folgen des Dreißigjährigen Krieges“ zum Dr. rer. pol. promoviert. Nachdem er 1864–67 in München das Gerichtspraktikum absolviert hatte, habilitierte er sich dort 1868 und lehrte ein Semester als Privatdozent. Noch im selben Jahr wechselte er als ao. Professor an die Universität Innsbruck; 1871 Ordinarius für politische Wissenschaften; 1872/73 und 1874/75 Dekan, 1876/77 Rektor. Nachdem er 1880 als o. Professor für politische Ökonomie an die Universität Prag berufen worden war, ging er 1881 nach Wien, wo er die Stelle eines Direktors des Bureaus für Administrative Statistik übernahm. Daneben wirkte I. auch als Honorarprofessor für Staatswissenschaften an der Universität Wien sowie 1884–96 an der Orientalischen Akademie. 1884 wurde I. zum Hofrat und Präsidenten der k. k. Statistischen Zentralkommission in Wien ernannt; 1890 titulierter, 1894 wirklicher Sektionschef. Die grundlegende Reorganisation der amtlichen Statistik war mit seinem Wirken ebenso eng verknüpft wie das Statistische Seminar an der Universität Wien, das er 1882–96 allein und ab 1897 zusammen mit seinem Schüler →Franz von Juraschek leitete. Als Direktor der amtlichen Statistik war I. zudem für die cisleithanischen Volkszählungen von 1880, 1890 und 1900 verantwortlich. 1905 trat I. vom aktiven Dienst zurück und wohnte fortan auf Schloss Lichtenwert bei Brixlegg, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte. Die Bedeutung I.s liegt einerseits in seinen Leistungen als Forscher, andererseits in seinen Bemühungen um den Ausbau der amtlichen Statistik begründet, deren besondere Bedeutung für den modernen Staat er stets betonte. Als prononcierter Vertreter der „historischen Schule der Nationalökonomie“ suchte er die statistische mit der historischen Methode zu vereinigen. Sein Ziel war die Darlegung des Entwicklungsgangs, der den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zugrunde lag. Sein dreibändiges Werk „Deutsche Wirtschaftsgeschichte“ (1879–1901) war der erste Versuch, die wirtschaftliche Entwicklung des deutschsprachigen Raums umfassend darzustellen und hierfür auch statistische Verfahren anzuwenden. Die historische Fundierung der Statistik, für die er u. a. beim ersten Treffen des Internationalen Statistischen Instituts in Rom (1887) eintrat, war I. v. a. deshalb ein Anliegen, weil diese die Grundlage für das Verständnis sozialer Phänomene und ihrer angenommenen Gesetzmäßigkeiten bildete. Die unter I.s Leitung vorangetriebene Modernisierung der amtlichen Statistik als einer „Wissenschaft von den sozialen Massen“ erfasste so unterschiedliche Arbeitsfelder wie die Erhebung der Bevölkerungsbewegung, die Wirtschafts- und Sozialstatistik sowie die Statistik der autonomen Verwaltung. Neben die Ausweitung des Erhebungsspektrums und des Publikationswesens der amtlichen Statistik trat die gezielte Verbesserung ihrer Erhebungstechnik: Auf seine Initiative hin wurde →Theodor Schäffler mit der technischen Betreuung der Volkszählung von 1890 beauftragt, die erstmals zentral bearbeitet und unter Verwendung von elektrischen Zählmaschinen (System Hollerith-Schäffler) durchgeführt wurde, was auch international große Beachtung fand. Den Trend zur Dezentralisierung im Rahmen der Ressortstatistik, der etwa in der Ausgliederung der sozialpolitisch wichtigen Arbeitsstatistik deutlich wurde, vermochte I. indes nicht aufzuhalten: Sein Bemühen um eine Monopolstellung der Zentralkommission für die gesamte Verwaltungsstatistik, die von einer einzigen verantwortlichen Stelle am besten bearbeitet werden könne, stieß damit an die Grenzen des zu seiner Zeit organisatorisch und politisch Möglichen. Bereits 1876–77 Mitglied des Tiroler Landtags, setzte sich I. als Mitglied des Herrenhauses (ab 1891 auf Lebenszeit) dafür ein, breiteren Bevölkerungsschichten den Zugang zum Wahlrecht zu ermöglichen. Als Sozial- und Wirtschaftspolitiker trat er ferner für die Verminderung der Arbeitszeit im Bergbau ein und beteiligte sich als Referent und Kommissionsmitglied wiederholt an der Vorbereitung von bilateralen Handelsverträgen. Dem 1880 gegründeten Verein gegen Verarmung und Bettelei stand er als Präsident vor. Der Geheime Rat I. erwarb sich im In- und Ausland hohes Ansehen, das u. a. in akademischen Auszeichnungen wie der Verleihung der Ehrendoktorate der Universitäten von Krakau, Czernowitz, Cambridge und Wien, der Mitgliedschaft bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien (1877 korrespondierendes, 1899 wirkliches Mitglied), der Preußischen Akademie der Wissenschaften (korrespondierendes Mitglied) und der Kaiserlichen Leopoldinisch Carolinischen Akademie der Naturforscher in Halle an der Saale (ab 1886) sowie 1899 in seiner Wahl zum Präsidenten des Institut International de Statistique zum Ausdruck kam. Daneben war er Träger mehrerer Orden (z. B. 1887 Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens, 1896 Orden der Eisernen Krone II. Klasse, Komturkreuz des Leopold-Ordens, russischer Stanislaus-Orden I. Klasse, preußischer Roter Adler-Orden II. Klasse).