Jungwirth, Augustin (Alfons) (1876–1942), Ordensgeistlicher und Campanologe

Jungwirth Augustin (Alfons) OSB, Ordensgeistlicher und Campanologe. Geb. Ostermiething (Oberösterreich), 24. 1. 1876; gest. ebd., 11. 10. 1942; röm.-kath. Sohn des Volksschullehrers Johann Jungwirth (geb. Schönau, Böhmen / Pěkná, CZ, 25. 5. 1828; gest. Ostermiething, 3. 2. 1912; röm.-kath.) und der Försterstochter Theresie Jungwirth, geb. Klimetschek, Bruder der Ordensmänner Karl (Walter) Jungwirth OSB (geb. Ostermiething, 16. 3. 1872; gest. Grödig, Salzburg, 22. 12. 1940; röm.-kath.) und Korbinian (Leo) Jungwirth OSB (geb. Ostermiething, 24. 2. 1878; gest. Maria Plain, Salzburg, 3. 11. 1948; röm.-kath.), Cousin des Organisten und Komponisten Friedrich (Rupert) Klimetschek OSB (geb. Linz, Oberösterreich, 14. 3. 1866; gest. Salzburg, Salzburg, 18. 11. 1922; röm.-kath.). – J. besuchte das Borromäum in Salzburg, wo er 1895 maturierte. Noch im selben Jahr wurde er im Stift St. Peter in Salzburg eingekleidet; zeitliche Profess im September des Folgejahres, ewige Profess im Oktober 1899, Priesterweihe im Juli 1900. Anschließend fungierte J. als Kooperator in der St. Peter inkorporierten Pfarre Abtenau. Seine Tätigkeit dort überschatteten jedoch bald verschiedene Unstimmigkeiten, die 1906 in einer Anzeige wegen sexueller Übergriffe auf Ministranten gipfelten, welche großes Echo in der Presse auslöste. J. wurde daraufhin aus Abtenau abgezogen, vorübergehend für „blödsinnig“ erklärt und in das Sanatorium Rekawinkel eingewiesen. In den folgenden Jahren verzichtete der Orden weitgehend auf eine Beschäftigung J.s in der Seelsorge. Stattdessen wurde er zunächst an der Münchner (1906–08) und anschließend an der Wiener Hofbibliothek (1908–09) ausgebildet. In der Folge übernahm J. die Neuaufstellung der Handschriftensammlung der Erzabtei St. Peter und konnte den Handschriftenkatalog 1913 abschließen. Sein weiterer beruflicher Lebensweg wechselte zwischen einer Stelle als Organist, Bibliothekar und Chorleiter im Stift Michaelbeuern und der Funktion des Beichtpriesters in der Wallfahrtskirche Maria Plain. 1930–36 wirkte er als Spiritual in einem in der Burg Martinsbühel im Tiroler Zirl untergebrachten Heim für als verwahrlost geltende Jugendliche, anschließend für ein Jahr als Kooperator im Kärntner Wieting. 1937–38 fungierte J. als Chorregens im Stift St. Lambrecht, anschließend wohnte er im Stift Michaelbeuern, bis dieses 1942 von den Nationalsozialisten aufgehoben wurde. Die relativ wenigen beruflichen Aufgaben, die ihm übertragen wurden, ließen J. die Möglichkeit, sich voll und ganz auf die Forschung zu konzentrieren. Hier entfaltete er bald eine ausgesprochen gründliche Tätigkeit als Campanologe. Offensichtlich plante er unter dem Titel „Glockenkunde“ die Herausgabe eines mehr oder weniger vollständigen Verzeichnisses sämtlicher bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs fassbaren Glocken im deutschsprachigen Raum sowie in Teilen der ehemaligen Kronländer. Daneben arbeitete er an einem ebenso auf Vollständigkeit angelegten Verzeichnis der zugehörigen Glockengießer. Beide Werke konnte er aufgrund der Größe der Aufgabe nicht abschließen, sodass seine Forschungsergebnisse nur in Form von etwa 6.000 Typoskriptseiten vorliegen, die in der Erzabtei St. Peter in Salzburg aufbewahrt werden. Diese enthalten Materialsammlungen und Verzeichnisse zu Glocken und Glockengießern u. a. im heutigen Österreich, in Südtirol, Böhmen und Mähren, Krain, Siebenbürgen, Ungarn, weiten Teilen Deutschlands sowie der Deutschschweiz und Dänemarks. Daneben erstellte J. auch eine Glockengießerkartei. Aus diesem großen Fundus erschien zu J.s Lebzeiten einzig ein kurzer Bericht in Druck („Die Glocken und Glockengießer Salzburgs“, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 75, 1935). Gegen Ende seines Lebens versuchte J. aus Geldnot Teile seiner Typoskripte zu verkaufen. Aufgrund der kirchen- und glockenfeindlichen Stimmung unter dem NS-Regime ist es jedoch nicht mehr zu einer Edition seiner Werke gekommen. Die Vernichtung vieler Glocken für Rüstungszwecke trug ebenfalls dazu bei, dass seine umfangreichen Vorarbeiten nur einem kleinen Kreis von Fachleuten bekannt blieben. Erst in jüngster Zeit wird seine mit Abstand umfangreichste Dokumentation historischer Kirchenglocken nach und nach vervollständigt und der Öffentlichkeit präsentiert.

Weitere W.: Glockengedächtnis. Die Glockenkunde des P. A. J. Salzburg, ed. J. Kral, 2017; Glockengedächtnis. Die Glockenkunde des P. A. J. Tirol, ed. J. Kral, 2019; Glockengedächtnis. Die Glockenkunde des P. A. J. Vorarlberg, ed. M. Fliri, 2019.
L.: Salzburger Volksblatt, 9. 11. 1906; K. F. Hermann, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 100, 1960, S. 423; Pfarre Ostermiething, Oberösterreich; Stiftsarchiv der Erzabtei St. Peter, Salzburg, Salzburg.
(J. Kral)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)