Kafka, Maria Restituta (Helene) (1894–1943), Widerstandskämpferin, Ordensfrau und Krankenschwester

Kafka Maria Restituta (Helene) SFCC, Widerstandskämpferin, Ordensfrau und Krankenschwester. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 1. 5. 1894; gest. Wien, 30. 3. 1943 (hingerichtet); röm.-kath. Tochter des Schusters Antonín (Anton) Kafka (1862−1929) und seiner Frau Marie Kafková, geb. Stehlíková (1866−1928). − K. absolvierte bis 1908 die Volks- und Bürgerschule in Wien. Nach ersten Anstellungen als Dienstmädchen und Tabakverkäuferin begann sie 1913 als Hilfsschwester im Kaiser-Jubiläums-Spital (später Krankenhaus Wien-Lainz) zu arbeiten. 1914 trat sie bei den dort tätigen Franziskanerinnen von der christlichen Liebe („Hartmannschwestern“) ein. Nach einer Ausbildung zur Kranken- und Operationsschwester wirkte sie zunächst in den Spitälern Neunkirchen und Lainz. Nach dem Zerfall der Monarchie optierte die Wiener Tschechin K. − anders als ihre Eltern − für die österreichische Staatsbürgerschaft. Ab 1919 im Krankenhaus Mödling tätig, stieg die bald für ihre Hilfsbereitschaft und ihr fachliches Können bekannte Ordensfrau zur Ersten Operationsschwester und Narkotiseurin auf. 1923 legte K. die Ordensgelübde auf Lebenszeit ab. Sie trat entschieden für Glauben, Recht und Menschenwürde ein, aber auch für ein freies Österreich, und geriet daher nach dem „Anschluss“ 1938 bald in Konflikt mit dem NS-Regime. Unter Missachtung der religions- und fremdenfeindlichen sowie rassistischen Anordnungen im Spitalsbetrieb wirkte sie in der Seelsorge und verursachte 1939 einen Skandal durch das verbotene Aufhängen von Kruzifixen. Da sie im Operationssaal unersetzbar war, wurde sie zunächst nicht verhaftet, aber bespitzelt. Dennoch verschaffte sie z. B. einem ausländischen Zwangsarbeiter eine verbotene, doch lebensrettende Bluttransfusion, beschützte eine jüdischstämmige Mutter mit ihrem Säugling, war vernetzt mit dem Mödlinger Widerstand und ermutigte in ihrem Umfeld zu Zivilcourage gegen das Gewaltregime. K. war jedoch, ähnlich wie →Franz Jägerstätter, eine Einzelkämpferin ohne Unterstützung durch die kirchlichen Vorgesetzten. Im Dezember 1941 wurde ihr Diktat eines im Widerstand kursierenden, österreich-patriotischen und pazifistischen „Soldatenlieds“ und eines Berichts über eine von der Hitlerjugend gestörte religiöse Jugendfeier abgehört und einem SS-Arzt des Spitals hinterbracht, der sie denunzierte. Im Februar 1942 folgten die Verhaftung durch die Gestapo und Verhöre in der Gestapoleitstelle Wien. Anfang März wurde K. ins Wiener Landesgericht eingeliefert und Ende Oktober durch den Berliner Volksgerichtshof wegen landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat zum Tod verurteilt. Als Häftling erwarb sich die Ordensfrau K. durch ihren authentischen, innere Stärke vermittelnden Glauben und ihre vorurteilsfreie mitmenschliche Solidarität die Achtung vieler (auch kommunistischer) Mitgefangener. Zur Einschüchterung der katholischen Kirche in der prekären Kriegslage 1943 wurden infolge einer Geheimkorrespondenz unter dem Betreff „Kirchenpolitik in den neuen Gebieten“ auf Betreiben des Leiters der Parteikanzlei Martin Bormann sämtliche Gnadengesuche abgelehnt. K. ist die einzige Ordensfrau, an der das NS-Regime ein gerichtliches Todesurteil tatsächlich vollstreckte. Ende März 1943 wurde sie im Wiener Landesgericht enthauptet. Um „eine unerwünschte Propagandatätigkeit und Verherrlichung der zum Tode Verurteilten als Märtyrerin“ zu verhindern, hatte die Gestapo schon im Dezember 1942 gefordert, K.s sterbliche Überreste nicht ihrem Orden zu überlassen; sie wurden in einem Massengrab des Wiener Zentralfriedhofs verscharrt. 1978 verlieh der österreichische Bundespräsident K. posthum das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs. 1988 eröffnete die Erzdiözese Wien das Seligsprechungsverfahren und Papst Johannes Paul II. sprach 1998 K. auf dem symbolträchtigen Wiener Heldenplatz als erste Märtyrerin Österreichs selig. Die Dauerausstellung „Restituta − Glaube gegen NS-Gewalt“ im Wiener Hartmannkloster, der Verein Restituta-Forum und u. a. ein Musical („Restituta“) sind dem Andenken K.s und der Verbreitung ihres Gedankenguts gewidmet.

L.: B. Kapp, Eine größere Liebe hat niemand …, 1958 (mit Bild); H. Maimann, in: Arbeiterbewegung – Faschismus – Nationalbewusstsein, ed. H. Konrad − W. Neugebauer, 1983, S. 201ff.; Schwester M. R. K. – Märtyrin aus dem Widerstand, 1998 (mit Bild); A. Sagardoy, Gelegen und ungelegen. Die Lebenshingabe von Sr. R., 2. Aufl. 2001 (mit Bild); E. R. Beinhauer, in: Widerstand in Österreich 1938−45, ed. S. Karner − K. Duffek, 2007, S. 87ff.; R. Beinhauer, in: Widerstand – Martyrium – Erinnerung. Franziskanische Reaktionen auf den Nationalsozialismus, ed. M. Sohn-Kronthaler u. a., 2017, S. 173ff.; Restituta – Glaube gegen NS-Gewalt, 2017 (mit Bild); R. Beinhauer, in: Perseguitati per la fede. Le vittime del Nazionalsocialismo in Europa centro-orientale, ed. J. Mikrut, 2019, S. 97ff.; restituta.at (mit Bild, Zugriff 24. 5. 2021); Kostel Nanebevzetí Panny Marie, Brno, CZ.
(R. Beinhauer)  
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)