Kalmar-Wolf (Wolf-Kalmar), Paula; geb. Klein (1880–1931), Schachmeisterin

Kalmar-Wolf (Wolf-Kalmar) Paula, geb. Klein, Schachmeisterin. Geb. Agram (Zagreb, HR), 11. 4. 1880; gest. Wien, 29. 9. 1931; bis 1922 mos. 1902–19 (Scheidung) verheiratet mit Wilhelm Kalmar, ab 1925 mit dem Schachspieler Heinrich Wolf (geb. Jägerndorf, Schlesien / Krnov, CZ, 20. 10. 1875; gest. 1943), der 1941 nach Riga deportiert wurde und im Holocaust umkam. – Über K.s Jugend ist nichts bekannt. Sie erlernte den Beruf der Modistin und führte ein kleines Geschäft in Wien 9. Erst 1913 begann sie sich, angeregt von einem Bekannten, dem Magistratsbeamten Johann Schöpfleutner, für das Schachspiel zu interessieren. Zunächst versuchte K. autodidaktisch das Spiel zu erlernen, trat dann aber dem Wiener Amateur-Schachclub bei und ließ sich ab 1915 v. a. von →Richard Réti und nach dem 1. Weltkrieg insbesondere von ihrem späteren Ehemann Wolf ausbilden. Sie avancierte rasch zu einer der bedeutendsten österreichischen Schachspielerinnen und wurde ab Mitte der 1920er-Jahre als Kontinentalmeisterin gewürdigt. Besondere Verdienste erwarb sie sich um die Entwicklung des Frauenschachs in Österreich. Bereits 1921 regte sie die Durchführung des ersten Frauenturniers in Wien an und konnte u. a. mit Cilly Ausch, Malvine Stern, Josefine Pohlner, Maria Harum und Salome Reischer ein starkes weibliches Team aufstellen, das sich in die männerdominierte Schachwelt vorwagte. 1922 gewann K. die Österreichische Frauenmeisterschaft, im selben Jahr belegte sie beim Hauptturnier des Innsbrucker Schachkongresses als einzige Teilnehmerin den 4. Platz. Zu einer internationalen Karriere wurde sie von →Rudolf Spielmann ermuntert und errang beim Hauptturnier des Bayerischen Schachkongresses 1923 wiederum als einzige Teilnehmerin den 3. Platz. 1924 erreichte sie bei der inoffiziellen Europameisterschaft der Frauen in Meran den 5. Platz, 1926 wurde sie zum 4. Mal österreichische Damenmeisterin. Bei der Schachweltmeisterschaft der Frauen 1927 in London schaffte sie den 3., 1930 in Hamburg und 1931 in Prag jeweils den 2. Platz und musste sich in beiden Fällen nur der als unbesiegbar geltenden ersten Schachmeisterin der Geschichte Vera Menchik geschlagen geben. Aufgrund ihrer Leistungen wurde sie nach dem österreichischen Schachgroßmeister Ernest Franz Grünfeld als der „weibliche Grünfeld“ bezeichnet.

W.: Die Frau im Schachleben, in: Neue Wiener Schach-Zeitung 1, 1923, abgedruckt auch in: NFP, 20. 2. 1923.
L.: Neues Wiener Journal, 22. 12. 1924; NFP, 4. 10. 1931; Wiener Schach-Zeitung 3, 1925, S. 11f. (mit Bild), 9, 1931, S. 311f. (mit Bild); F. Modliba, Österreichische Schachgeschichte – Österreich unter der Enns 2018, S. 37, 40, 42ff., 47f., 50f., 53, 57, 68, 71ff.; Website Frau Schach (Zugriff 28. 1. 2020); Yad Vashem / Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer (online, Zugriff 28. 1. 2020); DÖW, IKG, beide Wien.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)