Karajan, Theodor Georg von (1810-1873), Literarhistoriker und Historiker

Karajan Theodor Georg von, Literarhistoriker und Historiker. * Wien, 22. 1. 1810; † Wien, 28. 4. 1873. Vater des Vorigen; Sohn eines in Wien ansässigen griech. Kaufmannes, besuchte er hier zuerst die griech. Schule, dann das Gymn., 1826–28 die beiden philosoph. Jgg. an der Univ. Wien und trat 1829 in den Staatsdienst. Anfänglich beim Hofkriegsrat beschäftigt, ab 1832 im Hofkammerarchiv. Grillparzer (s. d.) als Dir. erkannte und schätzte K.s Begabung, der in diesen Jahren eifrig germanist. und hist. Stud., besonders auch aus alten Hss., trieb. Im Zusammenhang damit widmete er sich der alt- und mittelhochdt. Sprachlehre und trat in Verbindung mit K. A. Hahn, K. Lachmann, L. Uhland und den Brüdern Grimm. 1841 kam K. als Beamter an die Wr. Hofbibl. und damit unmittelbar an die Quellen seiner Forschungsarbeit, in deren Rahmen er bereits mehrere germanist. und hist. Abhh. sowie Ausgaben dt. Sprachdenkmale veröff. hatte. 1850 als Prof. für dt. Sprache und Literatur an die neugegründete Lehrkanzel der Univ. Wien berufen, verzichtete K. auf seine Stelle an der Wr. Hofbibl., legte aber seine Prof. im Herbst 1851 zurück, da er sich aus konfessionellen Gründen (er war griech.-orthodox) benachteiligt glaubte. Wieder Beamter der Wr. Hofbibl., wurde unter seiner Leitung mit der Anlage des Handschriftenkatalogs begonnen. K. veröff. anfangs kleinere hist. und topograph. Arbeiten, widmete sich dann aber der philolog. Forschung. Ab 1839 erschienen mehrere mit reichen hist. und literargeschichtlichen Erläuterungen versehene Editionen von Dichtungen des 12.–16. Jhs., denen sich eine Reihe quellenkrit. Arbeiten anschloß. K., der sich ab 1855 wieder fast ausschließlich der österr. Geschichte und speziell der Geschichte Wiens zuwandte, ließ sich auch bei der Bearbeitung dichter. Werke von hist. Motiven leiten und widmete sich vor allem jenen Dichtungen, deren Inhalt zur Aufhellung der Kulturgeschichte beiträgt. Anderseits ist die Anwendung philolog. Methoden auch in seinen rein hist. Arbeiten merkbar. K., 1851–66 Vizepräs., 1866–69 Präs. der Akad. der Wiss. in Wien, 1854–59 erster Präs. des Wr. Altertumsver., war 1848 Abg. zur dt. Nationalversamlg. in Frankfurt, ab 1867 Herrenhausmitgl., wurde 1854 Dr.phil.h.c. der Univ. Kiel und Mitgl. zahlreicher gelehrter Ges., so u.a. 1853 korr. Mitgl. der Preuss. Akad. der Wiss., 1859 o. auswärtiges Mitgl. der Bayer. Akad. der Wiss., 1859 korr., 1867 Ehrenmitgl. der Ges. der Wiss. in Göttingen und Mitgl. der Kgl. Böhm. Ges. der Wiss.

W.: Beitrr. zur Geschichte der landesfürstlichen Münze Wiens, 1838; Von den siben slâfaeren, 1839; Buch der Rügen, 1842; Michael Behaims Buch von den Wienern, 1843; Seifried Helbling, 1844; Zehn Gedichte Michael Behaims zur Geschichte Österr. und Ungarns, 1849; Über das Konzil von Lyon 1245, 1850; Über zwei Gedichte Walthers von der Vogelweide, 1851; Das Verbrüderungsbuch des Stiftes St. Peter zu Salzburg, 1852; Über eine bisher unerklärte Inschrift, 1854; Über Heinrich den Teichner, 1855; Zwei bisher unbekannte dt. Sprachdenkmale aus heidn. Zeit, 1858; K. Maximilians I. geheimes Jagdbuch, 1858; Aus Metastasios Hofleben, 1861; Joseph Haydn in London 1791/92, 1861; Die alte Kaiserburg zu Wien vor dem Jahre MD, 1863; Über den Leumund der Österreicher, Böhmen und Ungarn in den heim. Quellen des Mittelalters, 1863; Maria Theresia und Joseph II. während der Mitregentschaft, 1865; Wien zwischen 1605 und 1613, 1865; Wien zwischen 1680 und 1682, 1865; Abraham a Sancta Clara. 1867; K. Leopold und Peter Lambeck, 1868; etc.
L.: Wr.Pr. vom 27. 1. 1868 und vom 15. 5. 1873; N.Fr.Pr. und Dt.Ztg. (Wien) vom 30. 4., Wr. Ztg. vom 5. 6. 1873; N.Fr.Pr. vom 20. 5. 1875; E. Nyewald, Th. G. R. v. K., phil. Diss., Wien, 1949; I. Schwarz, Th. G. R. v. K., phil. Diss., Wien, 1949; Almanach Wien, 1873; Feierl. Sitzung, 1874; Bll. des Ver. für Landeskde. von N. Ö., Jg. 7, 1873, S. 88 ff.; Jb. für Landeskde. von N. Ö., 1874, 1913, 1914, s.Reg.; Wurzbach; ADB; Quellen und Forschungen zur vaterländ. Geschichte, Literatur und Kunst (Wien), 1849; E. Bauernfeld, Erinnerungen aus Alt-Wien, 1923; R. Meister, Das Werden der Philosoph. Fak. Wien, in: Almanach Wien, 1936; ders., Geschichte der Akad. d. Wiss. in Wien 1847–1947, in: Denkschriften der Gesamtakad., Bd. 1, 1947; S. Hahn, Reichsraths-Almanach für die Session 1867, 1867.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 13, 1963), S. 230f.
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