Kerner von Marilaun Anton, Botaniker. * Mautern (N.Ö.), 12. 11. 1831; † Wien, 21. 6. 1898. Bruder des Vorigen, Vater des Folgenden. Schon als Gymnasiast in Krems botanisierte er gem. mit seinem Bruder Josef Anton (s. d.), angeregt durch K. Erdinger (s. d.). Auf Wunsch des Vaters stud. er 1848–53 an der Univ. Wien Med., 1854 Dr. med. 1854/55 Präparand an der Klinik F. Schuhs im Wr. Allg. Krankenhaus. Um zur Botanik überwechseln zu können, legte er 1855 die Lehramtsprüfung aus Chemie und Naturgeschichte für Realschulen ab und wurde im gleichen Jahre Lehrer an der Oberrealschule in Ofen, 1858 Prof. am dortigen Josefs-Polytechnikum. In dieser Zeit stud. er die Flora der ung. Tiefebene und des botan. noch wenig erschlossenen Bihariagebirges. 1860–78 war K. Prof. der Naturgeschichte an der Univ. Innsbruck, deren botan. Garten er vor allem durch die Kultur von Alpenpflanzen zu einem Anziehungspunkt machte. 1867 wurde von ihm oberhalb von Gschnitz die Primula pubescens Jacqu. wieder aufgefunden. Er wies nach, daß dieser Bastard zu Ende des 16. Jhs. auf dem Wege über den damals in Wien lebenden Botaniker Clusius den Ausgangspunkt für die Zucht der Garten-Aurikeln bildete. 1878–98 Prof. der Botanik an der Univ. Wien und Dir. des botan. Gartens und des botan. Mus. der Univ. Den botan. Garten gestaltete er u. a. durch Anlegung „pflanzengeograph. Gruppen“ aus, was vielfach Nachahmung fand. Das diesem angeschlossene, durch Übergabe an das Hofmus. nahezu aller seiner Bestände entblößte, botan. Mus. wurde von K. prakt. neu geschaffen. K. war der Ansicht, daß in benachbarten Gebieten mit verschiedenen Lebensbedingungen sich bestimmte Formen gegenseitig vertreten und definierte die Art als „konstant wiederkehrenden, von anderen unterscheidbaren und über ein bestimmtes Areal verbreiteten Typus“. Bei seinem Besitztum in Trins im Gschnitztal, auf dem Blaser in 2195m Höhe und an anderen Orten legte er alpine Versuchsgärten an, um den Einfluß des alpinen Klimas auf die Morphol. der Pflanzen zu beobachten. Er begründete jene Richtung der systemat. Botanik, die vom Stud. engerer Formenkreise ausgehend zu allg. Resultaten zu kommen strebt (geograph.-morpholog. Methode). Seine pflanzengeograph. Einteilung Österr. in 4 Florengebiete (balt., pont., alpin und mediterran) ist im allg. auch heute noch gültig. Den Plan einer pflanzengeograph. Darstellung ganz Österr. konnte er nicht mehr durchführen, immerhin ist sein „Pflanzenleben der Donauländer“ (1863) die erste pflanzengeograph. Beschreibung österr. Teilgebiete. Aufzeichnungen K.s von seinen Tiroler Exkursionen verwendeten K. W. v. Dalla Torre (s. d.) und L. v. Sarnthein. Auch der Plan einer Flora von Österr., für die er seine Flora exsiccata als Vorarbeit betrachtete, kam nicht zur Ausführung. Sein 120.000 Spannbll. umfassendes Herbar kam an das Botan. Inst. der Univ. Wien. Das Stud. der Bastarde, denen K. eine allzugroße Bedeutung für die Bildung neuer Arten zuschrieb („Vermischungstheorie“), führte ihn zur Betrachtung der Befruchtungseinrichtungen und damit zur Blütenbiol. Von den wertvollen Ergebnissen dieser Untersuchungen erschienen nur kleine Teile, da er den Plan einer Gesamtveröff. nach dem Erscheinen der einschlägigen Arbeiten von Hermann Müller (1872, 1881) aufgab. Neben einigen Spezialarbeiten finden sich viele seiner Beobachtungen in seinem „Pflanzenleben“. Dieses Werk, als Gegenstück zu Brehms Tierleben gedacht, fand überall begeisterte Aufnahme, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und war maßgeblich an der Umstellung des botan. Unterrichtes von der rein deskriptiv-systemat. zu einer biolog. Betrachtungsweise beteiligt. Obwohl für gebildete Laien bestimmt, bot es auch dem Fachmann viel Neues und viele Anregungen. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien, 1877 nob.