Kisch Egon (Erwin), Schriftsteller und Journalist. * Prag, 29. 4. 1885; † Prag, 31. 3. 1948. Wuchs in der Prager Altstadt auf, wo er mit der ihm eigenen ursprünglichen Eindringlichkeit der Wahrnehmung die Atmosphäre dieser Stadt aufnahm und noch viel später in stärkster Wirkung wiedergab. Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend enthält der Band „Marktplatz der Sensationen“. Sonst sind diese Abschnitte seines Lebens, wohl auch wegen der früh vollzogenen Wendung zum Antitraditionellen, wenig beschrieben. Er begann seine journalist. Laufbahn 1905 beim „Prager Tagblatt“, war 1906–13 Lokalreporter der Prager Ztg. „Bohemia“ und anschließend Mitarbeiter am „Berliner Tagblatt“. 1914 kämpfte K. an der Südostfront und wurde mehrmals verwundet. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges Begründer und Führer der Roten Garde in Wien, wurde er hier verhaftet und in die Tschechoslowakei ausgewiesen. 1921 nach Berlin übersiedelt, unternahm K. im darauffolgenden Jahrzehnt mehrere weite Reisen, so in die Sowjetunion, nach Afrika, China und Amerika. Wie früher das Leben in Prag, so wurden nun die Erlebnisse in diesen Ländern zur großen Reportage in Büchern. 1932 nach Berlin zurückgekehrt, wurde er anläßlich des Reichstagsbrandes in Spandau gefangengesetzt, über tschechoslowak. Intervention entlassen und wieder in die Tschechoslowakei abgeschoben. 1935 begab er sich als Delegierter des Weltkomitees gegen Krieg und Faschismus auf abenteuerlichem Weg nach Australien, wurde verhaftet und erst nach Erlegen einer Kaution freigelassen. Während seines neuerlichen Aufenthaltes in Prag betätigte sich K. kommunist.; 1939 emigrierte er, mit Zwischenaufenthalten in Frankreich und Spanien, nach den USA und später nach Mexiko. 1946 kehrte er nach Europa zurück und wurde kommunist. Stadtrat in Prag. Bereits 1930, als K. am Schriftstellerkongreß in Moskau teilnahm, lehrte er an der Journalistenhochschule in Charkow und wurde Dr.h.c. dieser Univ. K. hatte mit außergewöhnlicher journalist. Begabung in der altösterr. Schule des Pressewesens in Prag und Wien, später in Berlin gelernt. Er sah in seiner Reifezeit als wichtigste Aufgabe für den Journalismus dessen ständige Erneuerung aus lebendigen Quellen und den Kampf gegen Routine und formalist. Erstarrung. Musterbeispiele gab er dafür in der Anthol. „Klassischer Journalismus“. Die Auffassung, daß „nicht die bessere Sache den Sieg erficht, sondern die besser verfochtene Sache“ ist positiv anzunehmen als Bekenntnis K.s zu seinem Beruf. Von den Versen am Beginn seines Schaffens über das Prosaschrifttum erreichte er rasch die Höhe des Erfolges auf dem Gebiet seiner im worteigenen Sinne artist. Reportage. K.s schriftsteller. Leistung manifestiert sich vor allem in der Umwandlung von scharfer und klarer Beobachtung in das treffende, lebendige Sprachbild und in der Fähigkeit, selbst Unscheinbares und Alltägliches wirkungsvoll zu gestalten. Wenn auch in seiner späteren Schaffenszeit der polit.-propagandist. Zweck der Berichterstattung sehr betont wurde, blieb doch immer K.s Bereitschaft, seine Begabung in den Dienst des Menschen zu stellen, erkennbar. Darin blieben seine „Berichte“ ohne gleichwertige Nachfolge. Dicht daneben ist allerdings bei ihm auch respektloses Niederreißen kulturtraditioneller Werte zu finden. Inhaltlich und formal gesehen beherrschte K. mit umfassenden Kenntnissen, Wortspiel und Witz, scharfen Pointen, schonungsloser Realistik der Darstellung und Demaskierung falschen Scheins alle Register in der Kunstübung eindrucksvoller Reportage.