Kotěra, Jan (1871-1923), Architekt

Kotěra Jan, Architekt. * Brünn, 18. 12. 1871; † Prag, 17. 4. 1923. Besuchte 1887–90 die Dt. Gewerbeschule in Pilsen, 1894–97 die Wr. Akad. der bildenden Künste (Otto Wagner). Nach den mit einem Rompreis beendeten Stud. war er dauernd in Prag tätig. 1899–1910 Prof. an der Kunstgewerbeschule in Prag, 1911–23 Prof. an der Akad. der bildenden Künste in Prag. Ab 1920 Mitgl. der tschech. Akad. der Wiss. und Künste. K. ist ein Vorläufer und in vielem ein Begründer der tschechoslowak. modernen Monumental- und auch angewandten Architektur. Sein ungewöhnlich umfangreiches, in einer Zeit der bedrohten Entwicklung völlig bahnbrechendes Werk (über 1000 Projekte und realisierte Arbeiten), zerfällt in zwei große Zeitabschnitte. Im ersten, etwa bis 1907 reichenden Abschnitt, haben K.s Arbeiten noch den Charakter eines sezessionist. Dekorativismus und es ist für sie eine enge Beziehung zu den übrigen Bereichen der bildenden Kunst bezeichnend. In dieser Zeit unterstrich K. auch die Bedeutung der nationalen Volkstradition durch freie Verwertung charakterist. Motive einer volkstümlichen Bauweise. Im zweiten Abschnitt, in dem gleichfalls offensichtlich Einflüsse engl. und holländ. Architektur sowie — zunächst — Einflüsse der zeitgenöss. Theorie der kubist. Ästhetik zu finden sind, ist das Hauptmerkmal von K.s Schaffen die Hervorhebung der Priorität der Raumgestaltung, ferner formale Vereinfachung, Disziplin und Zweckmäßigkeit in der Tektonik, ohne daß er dabei das ergänzende, immerhin schon zur Monumentalität drängende architekton. Ornament aufgab. Seine damals entstandenen Arbeiten gehören zu den grundlegenden Werken der neueren tschech. Architektur. K. formulierte genau die Forderungen der neuen Architektur, insbesondere in der programmat. Abh. „Über neue Kunst“, deren Ergebnisse jedoch seiner eigenen Tätigkeit als Projektant vorausgeeilt waren. K.s Schüler bildeten zwischen den beiden Weltkriegen den Kern der tschechoslowak. Architekten-Avantgarde. Ein wesentlicher Teil der künstler. Hinterlassenschaft K.s, der auch ein hervorragender Zeichner und Maler war, befindet sich im Techn. Nationalmus. zu Prag.

W.: Haus L. Peterka, Prag, 1899–1900; Ausstellungspavillon Mánes, Prag, 1902; Städt. Mus., Königgrätz, 1906–12; Universitätsgebäude, Prag, 1907–23; Pavillon für Handel und Fachschulwesen auf der Jubiläumsausst., Prag, 1907–08; Haus Laichter, Prag, 1908–09; Haus Kotěra, Prag, 1908–09; Arbeiterkolonie, Laun, 1909–19; Wettbewerbsentwurf für die österr.-ung. Bank, Wien, 1911; Handelshaus M. Urbánek (Mozarteum), Prag, 1912–13; Palais Lemberger, Wien, 1913–15; Entwurf für Batas Arbeiterkolonie, Zlín, 1918; etc. Meine und meiner Schüler Arbeiten 1898–1901, 1902.
L.: O. Novotný, J. K. a jeho doba (J. K. und seine Zeit), 1958 (Bibliographie); Christliche Kunstbll., Jg. 101, 1963, S. 116; Toman; Thieme–Becker; Otto 14, 28, Erg.Bd. III/2.
(Kudělka)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 4 (Lfg. 17, 1967), S. 158f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>