Kudlich, Hans (1823-1917), Politiker

Kudlich Hans, Politiker. * Lobenstein (Úvalno, österr. Schlesien), 25. 10. 1823; † Hoboken (New Jersey, USA), 11. 11. 1917. Sohn eines wohlhabenden, der liechtensteinschen Herrschaft Jägerndorf untertänigen Bauern; stud. an der Univ. Wien 1840–42 Phil., 1842–45 Jus, fand Anschluß an verschiedene polit. Zirkel und verkehrte besonders im Wr. Lesever. Am 13. 3. 1848 nahm er an der Demonstration vor dem Landhaus teil und wurde an der rechten Hand verwundet. Im April und Mai betätigte er sich im Rahmen der Studentenlegion. Ernstlich erkrankt begab er sich im Juni 1848 in seine Heimat, wo er als Abg. des Wahlkreises Benisch in den Reichstag gewählt wurde. Hier brachte er am 24. 7. 1848 den Antrag auf Aufhebung des grundherrlich-bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses ein, der, nachdem gegen den Willen K.s zahlreiche Veränderungen in bezug auf die Entschädigungspflicht gemacht worden waren, angenommen wurde und so zum Gesetz vom 7. 9. 1848 führte. K. versuchte am 6. 10. 1848 durch Verhandlungen mit den Off., den Abmarsch eines Wr. Baons. nach Ungarn zu verhindern, am 8. 10. 1848 konnte er die Übergabe des belagerten Zeughauses an die Studentenlegion erreichen. Vom 12. 10. bis 4. 11. 1848 unternahm er eine erfolglose Reise durch N.Ö. und O.Ö., um das Aufgebot des bäuerlichen Landsturmes zur Unterstützung der Wr. Bürgerschaft gegen die Truppen unter Windischgrätz und Jellačić (s. d.) zu erreichen. Obwohl er deshalb steckbrieflich verfolgt wurde, begab er sich im November 1848 zum Reichstag nach Kremsier. Nach dessen Auflösung am 7. 3. 1849 entging er durch Flucht der Verhaftung und begab sich zunächst nach Leipzig, dann nach Frankfurt, wo sein Bruder Josef Hermann K. als Mitgl. der dt. Nationalversmlg. wirkte, und in die Pfalz, wo er in die Dienste der provisor. revolutionären Regierung trat. Nach Niederwerfung dieses Aufstandes floh er im Juni 1849 in die Schweiz, stud. zuerst in Bern, nach seiner Ausweisung aus diesem Kanton in Zürich Med. und wurde im März 1853 zum Dr.med. promov. Wegen Teilnahme am pfälz. Aufstand am 15. 10. 1851 und wegen seiner Rolle während der Wr. Oktoberrevolution am 10. 3. 1854 in Abwesenheit zum Tode verurteilt und auf Drängen des österr. Gesandten im April 1853 aus der Schweiz ausgewiesen, floh er nach den USA, wo er sich zunächst in Greenpoint und Williamsburg, 1854 endgültig in Hoboken als Arzt niederließ und rasch zu Ansehen und Wohlstand gelangte. Im amerikan. Bürgerkrieg schloß er sich der republikan. Partei an und nahm leidenschaftlich gegen die Negersklaverei Stellung. Im dt. Vereinsleben in Amerika hatte er eine führende Stellung inne. 1866 amnestiert, unternahm er 1871–73 und in den folgenden Jahren häufig Reisen nach Österr., empfing zahlreiche Ehrungen und betätigte sich auch polit. als Versammlungsredner und Publizist. In seinen polit. Anschauungen war K. sozial (aber nicht marxist.), liberal, antiklerikal, demokrat. und national im antihabsburg.-alldt. Sinne. Sein extremer Radikalismus hat sich nach seiner Flucht aus Österr. gesteigert. Es ist sein hist. Verdienst, nach Ausbruch der Revolution des Jahres 1848 beharrlich auf die Dringlichkeit der Bauernfrage hingewiesen und im Reichstag deren Interessen energ. vertreten zu haben.

W.: Eine neue Methode der Rhinoplastik, med. Diss. Zürich, 1853; Rückblicke und Erinnerungen, 3 Bde., 1873, Neudruck 1924.
L.: N. Fr. Pr. vom 21. 9., 23. 10. 1913 und 9. 3. 1914; Fremdenbl. vom 23. 11., R. P. vom 23. und 25. 11. 1917; H. Walter, H. K., 1913; O. Wenzelides, H. K., 1925; W. Bennesch, H. K., der Bauernbefreier Österr., phil. Diss. Prag, 1932; E. Hartmann, H. K. (= Bilder und Worte 9), 1948; W. Seifert, Der Bauernbefreier H. K. (= Die Burgbergwarte 8, 9), 1954; F. Prinz, H. K. (1823–1917). Versuch einer hist.-polit. Biographie (= Veröff. des Collegium Carolinum, Bd. 11), 1962; Die Bauernbefreiung 1848. Zum 100. Geburtstag H. K.s, 1923; W. Pollak, H. K. und die Revolution von 1848, 1940; F. Prinz, H. K. und seine Zeit, 1959; B. Hampel, Ahnen- und Sippentafel K.s, 1935; Sudetendt. Lebensbilder, Bd. 1, 1926; Wurzbach; Th. Heuss, Schattenbeschwörung, Randfiguren der Geschichte, 2. Aufl. 1950, S. 232ff.; Belletrist.: B. H. Wittek, Sturm überm Acker, 1927; F. Stamprech, H. K., 1947.
(Feigl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 4 (Lfg. 19, 1968), S. 319
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