Lagus-Möschl, Gabriele (Gabi, Gaby) Maria; geb. Möschl, verheiratete Lagus (1887–1961), Graphikerin ud Textilkünstlerin

Lagus-Möschl Gabriele (Gabi, Gaby) Maria, geb. Möschl, verheiratete Lagus, Graphikerin und Textilkünstlerin. Geb. Währing, Niederösterreich (Wien), 27. 7. 1887; gest. Dade City, FL (USA), Dezember 1961; röm.-kath. Tochter des Bankbeamten Adolf Josef Möschl (geb. Wien, 15. 6. 1853; gest. ebd., 27. 6. 1929) und von Maria Möschl, geb. Bayer (geb. Wien, 29. 8. 1861; gest. 1935); nach einer kurzen Ehe mit Oberleutnant Otto Karl Šafář ab 1918 verheiratet mit dem Redakteur und späteren Vorstand des Österreichischen Werkbunds Otto Lagus (geb. 2. 9. 1889; gest. März 1965), dem Bruder von Frieda Lagus (geb. 1891; gest. 27. 10. 1914, Suizid), die 1914 den 2. Preis für ihren Entwurf zum „Haus der Frau“ auf der Kölner Werkbundausstellung gewann. – L. besuchte 1905–07 die Kunstschule für Frauen und Mädchen bei Adolf Böhm und studierte anschließend bis 1912 an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (ÖMKI) u. a. bei Anton Kenner (Figurales Zeichnen, Aktzeichnen), →Rudolf von Larisch (Schrift und Heraldik), →Franz Čižek (Ornamentale Formenlehre) und →Koloman Moser (Fachklasse für Malerei); ab 1908 bezog sie ein Stipendium der Gesellschaft zur Förderung der Kunstgewerbeschule. Bereits während des Studiums entstanden Postkartenentwürfe für die Wiener Werkstätte (WW). Gemeinsam mit ihrer Kollegin Frieda Lagus begleitete L. den WW-Mitbegründer →Fritz Waerndorfer im Frühjahr 1914 bei seiner Auswanderung nach Florida. L. schuf nach ihrem Studium Modeillustrationen für die Mappenwerke „Mode Wien 1914/5“ und „Das Leben einer Dame“ (1916), beteiligte sich mit diversen Batik-Arbeiten an der Ausstellung österreichischer Kunstgewerbe im ÖMKI 1913/14 und war zudem auf der Internationalen Schwarz-Weiß-Ausstellung in Wien (1913) sowie der großen Modeausstellung im ÖMKI (1915/16) vertreten. Zwischen 1917 und 1920 kreierte sie für die WW Tücher, (Lauten-)Bänder, Kissen und Stoffmuster und etablierte schließlich ihr eigenes kunstgewerbliches Atelier in Wien 13. Auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris 1925 war sie u. a. mit Arbeiten für den Lederwaren-Erzeuger Wilhelm Melzer vertreten und wurde mit einer Gold- sowie einer Silbermedaille ausgezeichnet. 1927 folgten Ausstellungsbeteiligungen in Leipzig (Europäisches Kunstgewerbe) und Den Haag (Oostenrijksche schilderijen en kunstnijverheid). 1928 und 1931 entwarf sie Zigarettenschachteln für die österreichische Tabakregie. Die 2. Ausstellung des Verbands bildender Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen „Wiener Frauenkunst“ zeigte 1929 unter dem Titel „Das Bild im Raum“ ein Damenzimmer mit von L. entworfenen Möbeln und von ihr ausgeführter Wandgestaltung. Als Mitglied des Arbeitsausschusses zeichnete sie auch für die Gestaltung der Bühne des Festsaals verantwortlich. Die Ausstellung im ÖMKI versammelte erstmals ausschließlich Interieurs nach Entwürfen von Frauen. 1939 erzwang die jüdische Herkunft ihres Mannes die Flucht nach Rom. Mithilfe eines Transitvisums des bulgarischen Außenministeriums erfolgte im November 1940 die Emigration über Lissabon nach New York; danach verliert sich ihre Spur. L. trat als Illustratorin und Gebrauchsgraphikerin ebenso hervor wie als Textilkünstlerin. In diesem Bereich war sie auf Batik und Malerei spezialisiert, arbeitete aber auch mit Stoff-Applikation und schuf eine Reihe bemerkenswerter Stickbilder: „Stadt“, „Land“, „Nord“ und „Süd“, so die Titel, erregten auf der Ausstellung „Deutsche Frauenkunst“ 1925 im Wiener Künstlerhaus große Aufmerksamkeit – einerseits aufgrund ihrer expressiven Bildinhalte und Stilmittel, andererseits aufgrund der Technik, die die unterschiedlichsten Materialien (Leder, Seide, Papier, Pelz, Bast) durch Stickerei zusammenfügte. „Nord“ hat sich in der Sammlung des Grassi Museum Leipzig erhalten; weitere Arbeiten von L. bewahrt das MAK – Museum für angewandte Kunst Wien auf. Die Künstlerin war Mitglied der Freien Vereinigung (Vorläufer der Wiener Frauenkunst), des Österreichischen Werkbunds, der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs und der Wiener Frauenkunst.

L.: The Sun, 6. 4. 1914; The Times Dispatch, 6. 4. 1915; RP, 8. 12. 1928; Die Bühne, 1925, Nr. 51, S. 52f.; Das Bild im Raum, Wien 1929, S. 3, 15, 22, 38f., 48f., 51 (Kat.); Ein Führer durch das österreichische Kunstgewerbe, ed. L. W. Rochowanski, 1930, S. 197; E. Hofmann, in: Österreichische Kunst, 1931, H. 6, S. 8; W. J. Schweiger, Wiener Werkstätte. Kunst und Handwerk 1903–32, 1995, S. 265; Die Frauen der Wiener Werkstätte, ed. A.-K. Rossberg u. a., Wien 2020, S. 122, 246ff. (Kat.); Pfarre Währing, Wien.
(A.-K. Rossberg)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)