Landesmann Heinrich, Ps. Hieronymus Lorm, Schriftsteller und Journalist. * Nikolsburg (Mikulov, Mähren), 9. 8. 1821; † Brünn, 3. 12. 1902. In frühester Kindheit nach Wien gekommen, wurde er hier als Sohn wohlhabender Eltern sorgfältig erzogen. Eine 1834 plötzlich auftretende Lähmung und Verlust des Gehörs (1837) verhinderten eine weitere pianist. Ausbildung des musikal. besonders Begabten. L. widmete sich nun vor allem der Phil. und dt. Literatur. Sechzehnjährig begann er seine schriftsteller. Tätigkeit mit Gedichten, die das „Österreichische Morgenblatt“ veröff. Beitrr. in den „Grenzboten“ sowie andere literar. Verbindungen zeitigten Auseinandersetzungen mit den damaligen Zensurbehörden und den Plan L.s, Österr. zu verlassen. 1846 begab er sich nach Leipzig, wo er seine erste krit. Schrift verfaßte und damit im Literaturbereich Geltung gewann. Nach Berlin übersiedelt, schrieb L. für die Z. „Europa“ unter dem Titel „Das literarische Dachstübchen“ anerkannte Beitrr. Das Jahr 1848 öffnete ihm den Rückweg nach Wien, wo er als Feuilleton-Redakteur der „Wiener-Zeitung“ und als Literatur- und Ges.-Kritiker für andere Bll. tätig war. Ab 1853 lebte L. in Baden b. Wien. Polit. der kleindt. Lösung des Jahres 1866 zustimmend, sah er die Möglichkeit einer Gesundung und des wahren inneren Freiheitsgewinnes der Völker allein durch das dt. Geistesleben und die gesamtdt. Kultur gegeben. Ab 1873 wirkte L. als Schriftsteller und Journalist in Dresden. 1882 nach Österr. zurückgekehrt, lebte er bis zu seinem Tode ständig in Brünn. Eine bereits früher eingetretene Minderung seines Sehvermögens, 1867 operativ vorübergehend gebessert, führte nach 1880 zu gänzlicher Blindheit. Wie der von ihm verehrte Dichter Jean Paul erfaßte auch L. liebend das Kleine und Einfache in Natur, Kunst und Menschenleben und setzte dessen verinnerlichte Betrachtung dem lauten, vielfach von ihm verurteilten Anspruch der Moderne seiner Zeit entgegen. Diese bewußt eingenommene Sonderstellung, aber auch die voreilig vollzogene Abstempelung L.s durch seine Beurteiler als „Pessimisten“ trugen mit dazu bei, daß nur wenigen seiner zahlreichen Prosaschriften Erfolg zuteil wurde. Von seinen Bühnenwerken wurden nur zwei längere Zeit hindurch aufgeführt. Als Kritiker wirkte L. auch später hinsichtlich der Darstellung realer Sachverhalte wirklichkeits- und erfahrungsgetreu, scharf, doch ohne Verzerrung. In seinem philosoph. Denken von Schopenhauer und Hartmann ausgehend, vollzog L. aus eigener Kraft den Wandel vom Pessimismus zu seinem „grundlosen Optimismus“. Bleibenden, inhaltlich wie formal anerkannten Ausdruck fand er vor allem in seiner Lyrik. Ebenso ist das Gehaltvolle und Feinsinnige seiner Briefe (seit 1868 Briefwechsel mit M. v. Ebner-Eschenbach) posthum in Auswahl bewahrt worden. Die von ihm ersonnene Handtastsprache, das Lormsche Fingeralphabet, wird noch heute in Deutschland, der Schweiz und Österr. für Ertaubte und Taubblinde angewandt. Durch dieses Verständigungsmittel wurde er zu einem der Befreier der Taubblinden aus völliger Isolierung.