Lederer, Max (1874-1942), Sozialpolitiker

Lederer Max, Sozialpolitiker. * Prag, 15. 11. 1874; † Wien, 27. 4. 1942. Stud. an der Univ. Prag Jus, 1898 Dr.jur., und trat 1898 in den Staatsdienst, ab 1903 im Handelsmin., 1917 Sektionsrat, ab 1917 Ministerialrat im Min. für soziale Fürsorge, 1921 Sektionschef im Bundesmin. für soziale Verwaltung. 1922 i.R. L., der sich ständig aktiv für Kinderschutz und Jugendfürsorge einsetzte, wirkte im vorbereitenden Komitee des 1. österr. Kinderschutzkongresses in Wien (1907) und war Sekretär der 1907 gegründeten Zentralstelle für Kinderschutz und Jugendfürsorge. 1909–16 Redakteur ihres Vereinsorgans, der „Zeitschrift für Kinderschutz und Jugendfürsorge“. Seiner umfassenden organisator. und propagandist. Tätigkeit ist nicht nur der große Aufschwung der „Zentralstelle“, sondern vor allem des Kinder- und Jugendschutzgedankens überhaupt sowie das Eindringen der Jugendfürsorgeidee in weiteste Kreise der Bevölkerung zu danken. Zu Kriegsbeginn setzte sich L. in seinem Referat „Über die Versorgung der Kriegswaisen“ für eine zeitgemäße Reform der alten Militärversorgungsgesetze (1887) ein und machte sich um eine Rationalisierung des Kinder- und Jugendschutzes während des Krieges, vor allem um eine einheitliche Organisierung der Witwen- und Waisenfürsorge der verschiedenen Stellen unter dem k. k. Österr. Militär-Witwen- und Waisenfonds verdient. Als anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Sozial- und Fürsorgepolitik war L. in der sozialpolit. Sektion des Handelsmin. mit allen wichtigen Fragen des Arbeiterschutzes und der Arbeiterfürsorge befaßt. Es ist vor allem L.s Verdienst, die in diesen Jahren immer wiederkehrenden sozialen Probleme in einer, dem Interesse der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer gleichermaßen dienlichen Weise geregelt zu haben. An der Errichtung des Min. für soziale Fürsorge nahm L. in maßgebender Weise Anteil und legte durch seine gründlichen Kenntnisse auf allen Gebieten der sozialen Verwaltung und durch sein hervorragendes Organisationstalent die Grundlagen für das — trotz der Kriegswirren — klaglose Funktionieren des Amtes, dessen Präsidialbüro er leitete. L. war Verfasser zahlreicher Schriften über Jugendfürsorge, Sozialpolitik und Arbeits- und Sozialrecht. Sein „Grundriß des österreichischen Sozialrechtes“ ist die einzige Arbeit von Niveau, welche über das System des österr. Arbeits- und Sozialrechts aus der Zeit vor 1932 zusammenfassenden Aufschluß gibt und bei ihrer Darstellung auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge berücksichtigt. L. verwendet den Begriff „Sozialrecht“ als Oberbegriff und faßt darunter Arbeits- und Sozialrecht zusammen. Sein Werk ist auch heute noch für alle wiss. Arbeiten aus dem Bereich des Arbeits- und Sozialrechtes, die in die Zeit der ersten Republik reichen, von großer Bedeutung.

W.: Grundriß des österr. Sozialrechts, 1929, 2. Aufl. 1932; Arbeitsrecht und Arbeiterschutz nach dem Stande der österr. Gesetzgebung vom 31. 5. 1925, 1925, 3. Aufl. 1932, Erg.-Heft, gem. mit V. Suchanek, 1933; Das Bundesgesetz betreffend die gewerbliche Sozialversicherung, mit einer gemeinverständlichen Darstellung der wesentlichen Neuerungen und prakt. Anwendungsbeispielen, gem. mit F. Czerny, 1935; Der neue österr. Gesetzentwurf über die Fürsorgeerziehung, in: Soziale Praxis, Jg. 21, 1911, S. 289 ff.; Der Gesetzentwurf über die Jugendfürsorgeerziehung, in: Z. für Kinderschutz und Jugendfürsorge, Jg. 6, 1914, S. 120 ff.; Die Fürsorge für unsere Kriegswaisen, ebenda, Jg. 7, 1915, S. 57 ff.; Der 3. Dt. Jugendgerichtstag in Frankfurt am Main, ebenda, Jg. 4, 1912, S. 310 ff.; Der 1. Internationale Jugendfürsorgekongreß in Brüssel (23.–26. Juli 1913), ebenda, Jg. 5, 1913, S. 245 ff.; Jugendfürsorge in Kanada, ebenda, Jg. 5, 1913, S. 349 f.; Fortschritte auf dem Gebiet der Jugendfürsorge, in: Österr. Z. für Strafrecht, Jg. 4, 1913, S. 264; Die Arbeitslosigkeit und ihre Bekämpfung, in: Wochens. des niederösterr. Gewerbever., 1930, F. 9; Die Reform der Sozialgesetzgebung, in: Jurist. Bll., Jg. 60, 1931, S. 133; Das Verfahren in der Sozialversicherung, ebenda, Jg. 61, 1932, S. 445.
L.: Schriften des 1. österr. Kinderschutzkongresses in Wien, Bd. 2, 1907; Rechenschaftsberr. in der Z. für Kinderschutz und Jugendfürsorge, 1909–16; Ch. A. Gulick, Österr. von Habsburg zu Hitler, Bd. 1, 1948; Verw. A. Wien; Mitt. H. Schmitz, Wien.
(Böck)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 21, 1970), S. 84f.
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