Leistler, Carl (1805-1857), Möbelfabrikant und Parkettenfabrikant

Leistler Carl, Möbel- und Parkettenfabrikant. * Wien, 1805; † Kalksburg (N.Ö.), 25. 9. 1857. Entstammte einer alten Wr. Tischlerfamilie; übernahm 1828 die Tischlerei seines Vaters in der Josefstadt und richtete 1842 in Gumpendorf zur Erzeugung von Möbeln, feinen Tischlerwaren und Parketten eine Fabrik ein, welche der erste derartige, mit den neuesten französ. Holzbearbeitungsmaschinen ausgerüstete Betrieb in Wien war. 1838–48 lieferte L. dem Fürsten Alois Liechtenstein Tischlerarbeiten und Mobiliar für die Repräsentationsräume des Palais in der Bankgasse, die zum prächtigsten und qualitätvollsten gehören, was damals im Stile des „Zweiten Rokoko“ in Wien geschaffen wurde. 1850 erwarb L. das Liechtensteinsche Schloß Rabensburg (N.Ö.), wo er unter dem Firmennamen „Gebrüder Leistler“ eine zweite Fabrik und ein nach engl. System angelegtes Sägewerk vornehmlich für die Produktion von Parketten, Eichen- und Eschenholzbrettern sowie Dimensionshölzern für den Waggonbau der Nord- und der Staatsbahn einrichtete. 1851 beteiligte er sich an der 1. Weltausst. in London mit vier Zimmereinrichtungen, die im Auftrag des Fürsten A. Liechtenstein nach Entwürfen des Architekten B. di Bernardis in den Stilen Renaissance, Louis XIV. und Louis XV. ausgeführt waren und wofür er (in der Klasse 26, Möbel) neben vier anderen Ausstellern die Council Medal, den höchsten Preis, erhielt. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein prunkvolles Baldachinbett mit reichen figuralen und ornamentalen Schnitzereien und aufwendigen Draperien sowie ein in got. Stil gehaltener riesiger Bibliotheksschrank, den K. Franz Joseph (s. d.) der Kgn. von England zum Geschenk machte. Nach L.s Tod scheint sich die Fa. ausschließlich auf die Parkettenfabrikation verlegt zu haben. L. verkörperte den Typus des aus dem Handwerkerstand hervorgegangenen Pioniers der Industrialisierung, der, gestützt auf hervorragende fachliche Fähigkeiten und aufgeschlossen für den techn. Fortschritt, die Möglichkeiten der neuen industriellen Produktionsmethoden zu nützen verstand. Diesen Unternehmungsgeist verband er mit einem ausgeprägten Sinn für die damals aufkommende großbürgerliche Lebensart. Mit den von ihm geschaffenen Möbeln, die für ihre Zeit als Leistungen internationalen Ranges zu gelten haben, leitete er in großem Stil die Phase des Historismus in der Wr. Möbelkunst ein.

W.: Kanzel und Chorgestühl für das Metropolitankapitel in Gran, 1854; Mahagonitüren, Verkleidungen und Supraporten für den Sultanspalast in Konstantinopel, 1855; etc.
L.: Digby Wyatt, The Industrial Arts of the Nineteenth Century, Bd. 2, 185, T. 109, 158; Großind. Österr., Bd. 3, S. 308, 316; Slokar, S. 631; F. Windisch-Graetz, Innendekoration und Mobiliar des Historismus, in: Alte und moderne Kunst, 79, 1965, S. 16; M. Zweig, Zweites Rokoko, 1924, S. 16 ff., T. 34–49; R. Feuchtmüller–W. Mrazek, Biedermeier in Österr., 1963, S. 79; V. Kotrba, Die Anfänge der Neugotik in den böhm. Ländern, in: Alte und moderne Kunst 81, 1965, S. 35; Th. v. Frimmel, Lex. der Wr. Gemäldesmlgn., Bd. G–L, 1914, S. 514 ff.; H. Rotter, Die Josefstadt, 1919, S. 308; R. Feuchtmüller, F. Gauermann, 1962, S. 190, 220; The Exhibition as a lesson in taste, in: The Art-Journal, London 1851, S. 12; The Industry of All Nations, Art-Journal illustrated Catalogue, ebenda, S. 177–180, 262, 280, 286, 296; Exhibition of the Works of Industry of All Nations, 1851. Report by the Juries, London 1852, S. 545, 550, 723, 724; 100 Jahre Österr. Mus. für angewandte Kunst, Kunstgewerbe des Historismus, Katalog 1964, n. 6–17; Archiv der Stadt Wien; Fürstlich Liechtensteinsches Archiv, Vaduz; Mitt. G. Wilhelm, Vaduz–Wien.
(Windisch-Graetz)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 22, 1970), S. 111f.
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