Liechtenstern, Joseph Marx Frh. von (1765-1828), Geograph, Kartograph und Statistiker

Liechtenstern Joseph Marx Frh. von, Geograph, Kartograph und Statistiker. * Wien, 12. 2. 1765; † Buchholz b. Berlin, 10. 10. 1828. Stammte aus Off.-Familie (kurbair. Adel). Nach sorgfältiger Erziehung stud. er bis 1785 Jus, war dann im Verwaltungsdienst; ab 1790 Oberverwalter der 6387 km 2 umfassenden Batthyán. Güter in N.Ö., Stmk., Kärnten, Ungarn und Kroatien. 1790 gründete er in Wien die Cosmograph. Ges., brachte 1793–97 den „Ungarischen Producten-Atlas“, den ersten mitteleurop. wirtschaftsgeograph. Atlas mit Karten der Ödenburger, Preßburger, Komorner, Bascer und Tolnaer Gespanschaften heraus. 1797 gab er im Rahmen dieser Ges. eine eigene „Geographisch-statistische Monathsschrift“ heraus. Nach Auflösung dieser Ges. (1797) errichtete er gem. mit anderen in Wien ein Cosmograph. Inst. In diesem beschäftigte er bald 60 Ing. und veröff. neben vielen Landkarten ab 1801 mit K. J. Kipferling den „Österreichischen Nationalatlas“. 1800–04 gab er außer vielen eigenen Werken sein „Archiv für Geographie und Statistik, ihre Hilfswissenschaften und Litteratur, mit vorzüglicher Rücksicht auf die österreichischen Staaten“ heraus, das 1811/12 als „Archiv für Welt-, Erde- und Staatenkunde, ihre Hilfswissenschaften und Litteratur“ und ab 1814 als „Allgemeiner Anzeiger historisch-politischen und statistischen Inhalts“ erschien. Viele berühmte Gelehrte aus aller Welt waren seine Mitarbeiter. 1815 Prof. für Statistik an der Univ. Wien. Als man L. 1819 nicht mit dem Aufbau des von ihm geplanten Statist. Büros betraute – dieses wurde erst nach seinem Tod auf Grund seiner Richtlinien 1829 ins Leben gerufen –, verließ er Österr. Dieser unermüdliche Vorkämpfer einer staatlich gelenkten Statistik verknüpfte frühzeitig dieses Fach mit der Geographie und der Staats- und Volkswirtschaftslehre. L. schuf mit seiner „Cosmographischen Gesellschaft“ den Vorläufer der ab 1856 bestehenden „Österreichischen Geographischen Gesellschaft“. Durch sein Cosmograph. Inst. entstand in Wien eine einzig dastehende Geographen- und Kartographenschule, aus der u. a. Kindermann, Sartori, Blumenbach (s. d.) und Schweickhardt hervorgingen, die zur Popularisierung der vom k. Gen.-Quartiermeisterstab aufgenommenen Spezialkarten verschiedener österr. Provinzen wesentlich beitrugen. Die in seinen „Vorschriften zu dem practischen Verfahren bei der trigonometrisch-geometrischen Aufnahme eines großen Landes“ (1821) niedergelegten Grundsätze wurden bei der 1869–87 durchgeführten 3. österr. oder Franzisko-josephin. Landesaufnahme durch Anwendung der Polyeder-Projektion nach L. beachtet.

W.: 142 literar. Arbeiten, darunter viele Lehr- und Hdbb. über den österr. Kaiserstaat und dessen Provinzen und Kom.; 42 Landkarten.
L.: Bll. des Ver. für Landeskde. von N.Ö. 1, 1866, S. 161 ff.; Österr. Akad. der Wiss., Anzeiger der phil.-hist. Kl., 1950, S. 377 ff.; Unsere Heimat, 1951, S. 185 ff.; J. M. v. Liechtenstern, Materialien zu einer Biographie des Frh. J. M. v. L., 1823; E. Nischer, Österr. Kartographen. 1924, S. 152 ff.; W. Bonacker, Kartenmacher aller Länder und Zeiten, 1966, S. 144; Wurzbach; Neuer Nekrolog der Dt., Jg. 6, 1830; ADB; M. Arnim, Internationale Personalbiographie, 2. Aufl., Bd. 2, 1952; E. Bernleithner. Die Entwicklung der österr. Länderkde. an der Wende des 18. und 19. Jh., phil. Diss. Wien, 1949, S. 123 ff. (mit Werksverzeichnis); M. A. Becker, Zur Geschichte der Geographie in Österr. seit 1750, in: Mitt. der k. u. k. Geograph. Ges. in Wien, Bd. 16, 1873, S. 193 ff.; Th. Herzberg, Die Cosmograph. Ges. und das Cosmograph. Inst. in Wien, in: Ber. des Ver. der Geographen an der Univ. Wien 13, 1887; Hassinger, S. 102, 112–115, 122, 181; Exner, Gewerbe und Erfindungen, Tl. 2, S. 265.
(Bernleithner)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 23, 1971), S. 207
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