Lustkandl Wenzel, Jurist und Politiker. * Schönbach b. Eger (Luby, Böhmen), 18. 3. 1832; † Wien, 18. 6. 1906. Nach jurid. Stud. an der Univ. Prag (1859 Dr.jur.), wo er regen Anteil am student. Vereinsleben nahm, wurde er Juristenpräfekt am Theresianum in Wien. 1864 habil. er sich an der Univ. Wien für österr. Verfassungs- und Verwaltungsrecht, wurde 1868 ao. Prof., 1894 o. Prof. des allg. und österr. Staatsrechtes, der Verwaltungslehre und des österr. Verwaltungsrechts. 1897/98 Dekan. Der Grund des langen Wartens auf ein Ordinariat (L. wurde vom Prof.-Kollegium elfmal als Ordinarius vorgeschlagen) lag vor allem an seinem Fach, das erst durch die Rigorosenordnung 1872 sowie durch die Studien- und Prüfungsordnung 1893 zum Obligatfach erhoben wurde. Die geringschätzige Behandlung seiner Wiss., deren grundlegende Bedeutung in Österr. lange Zeit hindurch nicht erkannt worden war und worunter L. sehr litt, ließ ihn bald die Politik als weiteres Betätigungsfeld suchen und machte ihn zu einem der führenden Köpfe der dt.-liberalen Partei. 1870–73 im Wr. Gemeinderat; als Abg. im niederösterr. Landtag (1873–1902) wirkte L. 1874–96 im niederösterr. Landesausschuß und 1889–98 im niederösterr. Landesschulrat; 1878–85 Mitgl. des Reichsrates. L., der als Zentralist aus der Schule Schmerlings die volle Souveränität Ungarns verneinte, eröffnete 1863 mit seiner Schrift „Das ungarisch-österreichische Staatsrecht“ einen jahrelangen literar. Streit mit F. Deak (s. d.). In dieser Veröff. suchte L. an Hand der Gesetze darzustellen, daß die zentralist. Februarverfassung (1861) „dem Lande Ungarn mehr zuteile und dem Gesamtreich weniger gebe als das Gesamtreich nach den ungarischen Gesetzen selbst zu fordern berechtigt wäre“. 1867 akzeptierte L. zwar den Ausgleich, hielt an seiner Lehrmeinung aber in zahlreichen Schriften fest. L.s polit. Tätigkeit im Reichsrat fiel in die Blütezeit der dt.-liberalen Partei; in Opposition zu Taaffe beteiligte er sich lebhaft an den Kämpfen um das Sprachenrecht und um die Volksschule. In den Debatten über die Schulnovelle (1883) trat er für größeren Einfluß des Staates auf die Volksschule sowie für moderne Schulgestaltung und Verwaltung ein. Im niederösterr. Landesausschuß leitete L. das Schulreferat und führte das Hasnersche Volksschulgesetz (Reichsvolksschulgesetz vom 14. 5. 1869) in N.Ö. ein. 1902 i. R. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. Ehrenbürger von St. Pölten.