Meyrink, Gustav (1869-1932), Schriftsteller

Meyrink Gustav, Schriftsteller. * Wien, 19. 1. 1869; † Starnberg (Bayern), 4. 12. 1932. Verbrachte als Sohn der Münchner Schauspielerin Maria Meyer und des Württemberg. Min. C. Frh. v. Varnbühler seine Kindheits- und Jugendjahre in München und Hamburg und kam 1884 nach Prag. Dort absolv. er die Handelsakad. und war dann im Bankgeschäft tätig. Durch eine Duellangelegenheit und darauf folgende Haft gesundheitlich schwer geschädigt, verließ er 1902 Prag. Anschließend in München und ab 1904 in Wien, war er Mitarbeiter des „Simplizissimus“ und des „Lieben Augustin“. Ab 1905 lebte er als freier Schriftsteller abwechselnd in Bayern (Kg. Ludwig III. erlaubte ihm, sich nach einem mütterlichen Vorfahren, einem bayer. Off., Meyrink zu nennen) und in der Schweiz. Sein literar. Schaffen hatte M. schon in Prag begonnen, wo er dem von Leppin (s. d.), O. Wiener u. a. gebildeten Dichterkreis angehörte. In seinem Werk trat immer wieder eine Verbindung mit dem Überweltlichen, Jenseitigen in Erscheinung, an dessen Werden und Wesen jedoch reale Erlebnisse einen überragenden Anteil hatten. Seine Erfahrung ungerechter Beschuldigungen und Verurteilung bewirkte scharfe satir. Ausfälle gegen bürgerliches Spießertum, Bürokratie, fehleingesetzte richterliche und militär. Gewalt. Die Stimmung für seine phantast. Spuk- und Gespenstergeschichten gab ihm die Atmosphäre der Prager Altstadt, der M. innerlich stets verbunden blieb. Er kannte die okkulten Phänomene in Europa und verschaffte sich aus den Geheimwiss. des Orients stoffliche Bereicherung für seine Schriften. M. suchte und fand aus Wirklichkeitserfahrung und psycholog. Wissen den Weg ins Geistige. Der Eindruck des Jenseitigen in seinen Büchern entsteht durch die Mittel der Darstellung, die sich in ihrem Grunde verstandeshaft klar und überlegen erweist. Realismus, Gedankentiefe und Verantwortungsbewußtsein des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft unterscheiden sein schriftsteller. Werk von themat. verwandten, oberflächlichen Nachahmungen.

W.: Der heiße Soldat u. a. Geschichten, 1903; Orchideen. Seltsame Geschichten, 1904; G. M. kontra G. Frenssen, J. Uhl und Hilligenlei (2 Parodien), 1907; Das Wachsfigurenkabinett. Sonderbare Geschichten, 1908; Des dt. Spießers Wunderhorn, 1909; Goldmachergeschichten, 1925. Romane: Der Golem, 1915; Walpurgisnacht, 1916; Das grüne Gesicht, 1916; Der weiße Dominikaner, 1921; Der Engel vom westlichen Fenster, 1927. Erzählungen: Fledermäuse, 1916; Der Löwe Alois, 1917; Der Mann auf der Flasche, 1920; Der violette Tod, 1922; Die heimtückischen Champignons, 1916; etc.
L.: Wort in der Zeit, Jg. 3, 1957, F. 12; E. Frank, G. M., Werk und Wirkung, 1957; M. E. Thierfelder, Das Weltbild G. M.s, phil. Diss. München, 1953; Brümmer; M. Geißler, Führer durch die dt. Literatur des 20. Jh., 1913; Giebisch–Gugitz; Giebisch–Pichler–Vancsa; Kosch; J. Nodler, Literaturgeschichte der dt. Stämme und Landschaften, 3. Aufl., Bd. 4, 1932, S. 889 f.; ders., Geschichte der dt. Literatur, 1950, S. 857 f.; Nagl–Zeidler–Castle, Bd. 3–4, s. Reg.; A, Schmidt, Dichtung und Dichter Österr. im 19. und 20. Jh., Bd. 1, 1964, S. 279 f., 282, 284; Wer ist’s? 1906–28; K. Behrsing, Die Brücke vom Diesseits zum Jenseits, in: Begegnung, 1958.
(V. Hanus)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 26, 1973), S. 17
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